Tod im Lehrerzimmer

 

 

Kriminalerzählung

 

 

 

 

 

Es war ein schöner Sommertag, als der alte Haus­meister Her­mann Pütz sich am frühen Morgen auf­machte, um vor Unter­richtsbeginn den Hauptein­gang des Schulgebäudes aufzu­schließen und dann in sein Arbeitszimmer hin­über zu gehen. Als er auf dem Weg zufällig den Gang hinab zum Lehrerzim­mer blickte, war er überrascht, dass die Tür dort einen Spalt weit of­fen stand. Seit über dreißig Jah­ren war er immer der Erste, der morgens in der Schule am Werk war, und jeden Abend machte er seit­dem seinen Rundgang, um zu überprüfen, dass keine Tü­ren oder Fenster im Gymnasium mehr un­befugt offen standen. Er begab sich mit er­hobenem Schlüsselbund zur Tür und schaute ins Lehrerzim­mer. Entsetzt schreckte er dort zurück, als er fol­gendes sah: Der neue Schul­leiter Adolf Boxbeiß lag mitten im Lehrerzim­mer auf dem Rücken mit ausgestreckten Ar­men und Beinen auf dem Boden. Er hatte eine schwere Ver­letzung am Kopf, sodass sich unter ihm eine große rote Blutla­che gebildet hatte. Pütz griff schockiert zu seinem Smart­phone, dessen Anschaffung ihm eben jener Schulleiter Boxbeiß vor ei­nigen Monaten nachdrücklich be­fohlen hatte, nachdem der alte Hausmeister zuvor unnötige und teure mo­derne Technik im­mer abge­lehnt hatte. Jetzt hatte er Gelegenheit, es zu nutzen, um die Po­lizei zu rufen und den Mord zu melden.

 

Hunderte von Schülern und Lehrern standen in lau­ten und ent­setzten Unterhaltungen auf dem Schul­hof des Gymnasiums und mehrere Ka­merateams und Fo­toreporter waren ebenfalls schon vor Ort und drängten sich gierig und blutrünstig an den Po­lizeiabsperrungen, als Kriminalhauptkom­missar Thomas Müller von der Mordkommis­sion, ein mürrisch wirkender dun­kelhaariger Mann im langen grauen Mantel Anfang Fünf­zig, schnellen Schritts das Schul­gebäude be­trat, um den Tatort zu begutach­ten.

Was gibt es zu berichten?“, fragte er seine jun­ge blonde Kollegin Kriminalkommissarin Chantal Potter und den Ge­richtsmediziner Prof. Dr. Wolf­gang Streber, die den Ort des grausigen Gesche­hens bereits untersucht hat­ten. Sie trugen, wie alle direkt bei der Leiche von Schulleiter Boxbeiß ar­beitenden Kriminal­beamten, sterile weiße Ganz­körperanzüge, so­genannte Ganzkörperkondome, um möglichst keine Spuren zu verwi­schen oder neue hinzu­zufügen.

Sieht ganz wie ein eingeschlagener Schä­del aus, Tommy“, sagte Chantal. „Da hat wohl jemand kräftig zugelangt.“

Die Kopfverletzung muss mit einem schwe­ren, harten Ge­genstand von vorne auf den oberen, linken Stirnbereich erfolgt sein“, erklärte Professor Streber. „Der Tod des Op­fers dürfte sofort nach dieser massiven Einwir­kung auf den Schädel infol­ge eines Schädelba­sisbruches eingetreten sein. Ich muss jedoch bei der Obduktion noch eine genauere Unter­suchung im Labor durchführen, bevor ich die Todesursache abschließend mit Si­cherheit fest­stellen kann.“

Dann lasst uns die Umgebung untersu­chen und eine erste Befragung möglicher Zeu­gen vor­nehmen“, sagte Müller. „Dann können auch die Ta­tortreiniger bald anrücken. Von mei­nen Kindern weiß ich, dass sowieso schon viel zu viel Unter­richt ausfällt. Dazu wollen wir doch nicht auch noch beitra­gen.“

 

Thomas Müller und Chantal Potter befragten zunächst den alten Haus­meister Hermann Pütz, der die Leiche entdeckt hatte, sowie seine Ehe­frau Ingrid Pütz. Sie saßen in der kleinen alt­modisch, aber recht gemüt­lich ein­gerichteten Haus­meisterwohnung auf dem Schulgelände.

Haben sie gestern Nachmittag, gestern Abend oder heute Nacht ir­gendetwas auffälli­ges bemerkt, das mit dem Mord an ihrem Schulleiter in Verbindung stehen könnte?“, frag­te Kommissar Müller.

Nicht das Geringste“, sagte Hermann Pütz, während seine Frau mit einer Kanne Tee herein kam, den Ermittlern jeweils eine Tasse einschenkte und sich dazu setzte. „Wir gehen abends normaler­weise zeitig schlafen, selten sind wir länger auf als zehn Uhr, nicht wahr, Ingrid?“

Ja“, bestätigte die Hausmeistergattin. „Ich glaube, gestern waren wir kurz vor zehn Uhr im Bett. Wir haben noch einen Krimi im Fern­sehen geschaut, so bis viertel vor zehn, und sind dann schlafen gegangen.“

Meinen täglichen Rundgang habe ich abends um 18 Uhr gemacht“, sagte Herr Pütz. „Dabei ist mir nicht besonde­res aufgefallen und da­nach ha­ben wir auch nichts gehört. Der Fernseher war an und, ja, der Krimi war so langweilig, dass ich dabei wieder einmal vor dem Bildschirm eingenickt bin, nicht wahr, Liebes?“

Ja, so war es“, sagte Frau Pütz. „Wir wa­ren den ganzen Abend ab etwa 18 Uhr in der Wohnung und haben nichts be­merkt. Schreck­lich, wie sowas direkt nebenan in der Schule passieren kann!“

Kannten sie den Schulleiter Adolf Box­beiß gut?“, fragte Chantal. „Wissen sie eventu­ell von Konflikten oder von Fein­den, die er an der Schule oder in seinem privaten Umfeld hatte, und die et­was mit dem Mord zu tun ha­ben könnten?“

Na ja, nichts bestimmtes“, sagte Herr Pütz. „Es gab wohl alle möglichen Streitigkei­ten, seit Herr Boxbeiß vor etwa einem Jahr der neue Schulleiter wurde. Mit Kollegen, die sich un­gerecht behandelt fühlten, mit Schülern und Eltern, die sich ständig be­schwert haben. Der Abteilungsleiter der Oberstufe, Herr Feige, galt als sein größter Konkurrent. Aber so eine Tat trau ich dem eigentlich nicht zu und auch niemandem sonst, den ich kenne.“

Er war eigentlich ein regelrechter Tyrann“, sagte Frau Pütz. „Wir wollen ja nicht schlecht über einen Toten reden, ge­rade nach so einer fürchterli­chen Mordtat! Aber, ehrlich gesagt, hat er viele Menschen, nicht zuletzt meinen Mann, manchmal wie den letzten Dreck behandelt! Und er soll sich, ähm, ich sag mal, auch an junge Schülerinnen herange­macht haben. Offen gesagt, der hatte schon viele Feinde, aber ich kann mir auch nicht vor­stellen, was für ein Mensch zu so einer Untat fähig wäre. Das hat keiner verdient, so grau­sam zu enden!“

Vielen Dank erst einmal“, sagte Thomas Mül­ler und reichte Herrn Pütz seine Visiten­karte. „Wenn ihnen noch etwas wichtiges ein­fallen sollte, melden sie sich bitte sofort bei uns.“

Selbstverständlich“, sagte Herr Pütz,

Hat ihnen denn der Tee geschmeckt?“, fragte Frau Pütz und wollte nachschenken.

Ja, vielen Dank nochmal, der Tee war wirklich ganz ausgezeichnet“, sagte Müller und die beiden Beamten verabschiede­ten sich von dem alten Hausmeister­ehepaar.

Der Unterricht an dem Gymnasium fiel trotzt der schnellen Arbeit der Kriminalpolizei und der Tatortrei­niger im Gedenken an den verstorbe­nen Schulleiter eine Woche lang aus. Lediglich eine psychologi­sche Gruppenbetreu­ung wurde von der Schulbe­hörde angeboten, um das grau­enhafte Erlebnis auf­zuarbeiten.

 

Am nächsten Tag kam Kommissar Müller in die Gerichtsmedi­zin, um den Laborbericht der Autop­sie von Professor Streber entgegen zu nehmen.

Gibt es etwas neues?“, fragte der Ermitt­ler.

In der Tat“, sagte der Forensiker. „Meine erste Diagnose trifft zwar durchaus zu, was den Schädel­basisbruch betrifft. Es dürften fünf oder sechs Schläge mit einem schweren Ge­genstand wie etwa einem Blumentopf oder ei­nem Kochtopf oder et­was ähnlichem gewesen sein. Ich habe aber noch etwas ganz anderes entdeckt. Das Opfer war mit einer Überdosis an Betäu­bungsmitteln vollge­pumpt! Ein Wirk­stoff, wie man ihn aus gängigen Schlafmitteln kennt. Meinen Untersuchungen zufolge könnte der Tod ungefähr zur gleichen Zeit durch das Schlafmit­tel oder aber durch die Schläge auf den Schädel eingetreten sein.“

Das gibt einige Rätsel auf“, sagte Müller. „Vielleicht woll­te man das Opfer erst betäu­ben, um es dann leichter erschla­gen zu kön­nen, oder aber es gab zwei unabhängige Mord­versuche, die ge­wissermaßen beide erfolgreich verliefen. Vorausge­setzt Boxbeiß wollte nicht mit dem Schlafmittel einen Suizid verüben.“

So sieht es aus“, bestätigte Streber.

Da kam Chantal Potter herbei gelaufen und we­delte aufge­regt mit einem Blatt Papier in der Hand herum.

Das haben wir bei der Durchsuchung des Schulleiterbüros von Boxbeiß in einer Schub­lade gefunden!“, rief die junge Kriminalbeam­tin. „Schaut euch das mal an, ein seltsamer Liebes­brief!“

Der Brief war handschriftlich mit rosa Tin­te verfasst und mit vielen kleinen roten Herz­chen ver­ziert worden. Die Beam­ten lasen:

 

Mein geliebter Adolf!

Ich kann nicht mehr län­ger warten! Ich liebe dich über alles und du hast mir auch immer wieder dei­ne Liebe ge­standen! Seit ich dich in der siebten Klasse zum ersten Mal gesehen habe, lebe ich nur noch für dich und unsere gren­zenlose Liebe! Du hast mir schon tau­sendmal ge­schworen, dass du deine Familie für mich verlässt und wir endlich allen unse­re ewige Liebe zeigen können! Das Versteckspiel muss endlich ein Ende haben! Ich kann nicht mehr warten, bis wir uns wie­der im Hotel oder irgendwo anders heimlich treffen! Mein über alles geliebter Adi! Heute Abend um 21 Uhr warte ich im Lehrerzimmer auf dich! Ich ver­stecke mich solange einfach in der Schule. Wenn du da bist weiß ich, dass unsere Liebe die Wahrheit ist und ewig währt! Wenn du nicht kommst, dann will ich nicht mehr Leben und bringe mich um! In grenzenloser und ver­zweifelter Liebe, tausend Küsse überall an deinen Körper!!!

Deine Mary

 

Höchst interessant!“, sagte Müller. „Vermut­lich war damit der Abend gemeint, an dem Di­rektor Boxbeiß dann im Lehrerzim­mer ermor­det wurde! Und bei dieser Mary muss es sich um eine Schüle­rin und heimliche Geliebte von Schulleiter Boxbeiß handeln! Vielleicht ist sie die Täterin!“

Aber warum sollte eine heimliche Gelieb­te ihn ermorden?“, fragte Chantal.

Er könnte von ihr verlangt haben, die Be­ziehung zu been­den“, überlegte Müller. „We­gen sei­ner Familie und seiner Stel­lung als Schulleiter. Und dann ist sie völlig ausgerastet und hat ihn mit einer bisher noch unbekannten Tatwaffe erschla­gen.“

Und ihm hinterher das Schlafmittel einge­flößt?“, fragte Professor Streber skeptisch. „Das er­scheint mir ziemlich unwahrschein­lich. Dann hätte sie sich da­mit doch folgerichtig auch selbst umbrin­gen müssen. Immerhin droht sie in ihrem Brief mit Selbstmord.“

Vielleicht hat sie es sich noch anders überlegt“, sagte Müller, „ihren Ge­liebten in Verzweiflung er­schlagen und wollte schließ­lich selbst doch noch weiterle­ben.“

Oder sie konnte sich einfach nicht über­winden“, warf Chantal ein, „das Schlafmittel selbst zu nehmen, um sich damit umzubringen. Da hat sie es einfach noch Boxbeiß eingeflößt. In so einer emotionalen Situation, wenn man völlig die Kontrolle über sich verliert, verhält man sich bekanntlich nicht streng rational, sondern eher etwas ungewöhnlich.“

Wir sollten jedenfalls schnellstens heraus­finden, wer diese Mary ist“, sagte Müller. „Eventuell war der Brief auch gefälscht und je­mand anders wollte Boxbeiß damit in eine Fal­le locken!“

Das könnte sein“, sagte Chantal. „Zumal wir auf seinem Smartphone und seinen Com­putern kei­ne Nachrichten, keine Fotos oder an­dere Hinweise gefunden haben, die auf diese heimliche Liebesbe­ziehung zu einer Schülerin namens Mary hindeu­ten. Entweder waren sie sehr vorsichtig und haben ihre Liebesbekun­dungen und Verabredungen nicht per Smart­phone oder E-Mail oder so ausgetauscht oder Boxbeiß hat hinterher immer alles gelöscht.“

In diesem Moment klingelte Kommissar Müllers Smartphone. „Die Aasgeier von der Presse wittern Beute“, meldete ein Kollege. „Was sollen wir den Schmarotzern sagen?“

Gebt den Schmierfinken nur das Allernö­tigste“, sagte Müller. „Bestä­tigt, dass der Schulleiter Adolf Boxbeiß gestern tot in seiner Schule aufgefun­den wurde. Und ansons­ten die übli­chen Flos­kel: Genauere Einzelhei­ten kön­nen wir zu diesem Zeitpunkt aus ermittlungs­taktischen Gründen noch nicht bekanntgeben.“

 

Die weiteren Ermittlungen ergaben folgendes:

Mary von Schönbrunn war eine Schülerin aus der zehnten Klasse, in der Boxbeiß bereits seit der siebten Klasse Deutsch und Mathema­tik unterrich­tet hatte. Er war nämlich schon seit fünfzehn Jah­ren Lehrer an der Schule ge­wesen und erst vor etwa einem Jahr zum neuen Schulleiter ernannt worden. Die Handschrift auf dem Liebesbrief stimmte deutlich mit ihrer überein, wie Ver­gleiche mit Schulheften und Klassenar­beiten sowie eine aktuelle Hand­schriftprobe er­gaben.

Des Weiteren brachten Müller und sein Er­mittlungsteam in Erfahrung, dass es einige Tage vor dem Mord eine heftige Auseinander­setzung zwischen Direktor Boxbeiß und ei­nem seiner Lehrer­kollegen gege­ben hatte. Der Ab­teilungsleiter der Oberstufe und einstige erbit­terte Konkur­rent um den Posten des Schullei­ters Bernhard Feige war dabei fast handgreif­lich ge­worden und hatte Boxbeiß vor Zeu­gen lauthals ge­droht, ihn umzubringen. Da­mals hatte das natürlich kei­ner ernst genommen, doch jetzt war Feige damit auch ein Tatver­dächtiger.

Als weiterer Tatverdächtiger stellte sich der Schüler Kevin Schneider heraus, der vor drei Monaten wegen Streitigkeiten mit Schulleiter Boxbeiß und entsprechenden Disziplinarmaß­nahmen von dem Gymnasium verwiesen wor­den war. Der Sieb­zehnjährige hatte daraufhin in Internetforen und sozialen Netz­werken ein Attentat auf den Direktor im Rahmen eines umfas­senderen Amoklaufs an seiner ehemali­gen Schule angekündigt. Die ent­sprechenden Einträge hatten jedoch zunächst nur einige Mitschüler gesehen, als leere Drohgebärden abgetan und nicht weiter ernst genommen. Erst im Zuge der Ermittlungen nach dem Mord im Lehrer­zimmer waren sie an einen größeren Per­sonenkreis und schließlich auch an die Po­lizei weitergeleitet worden.

Außerdem musste die Ehefrau des ermor­deten Schulleiters, Sieglinde Boxbeiß, nach dem ersten behutsamen Überbringen der To­desnachricht noch ausführlich befragt werden, um mög­licherweise weitere Hinweise auf den Tathergang und den Tä­ter aus dem privaten Umfeld des Opfers zu ermit­teln. Sollte Frau Boxbeiß von der mutmaßlichen heimlichen Liebesbeziehung ihres Ehemannes zu seiner Schülerin gewusst haben, dann hatte auch sie ein mögliches Tatmotiv.

Thomas Müller und Chantal Potter wollten also diese vier Hauptverdächtigen nacheinan­der be­fragen. Drei von ihnen luden sie dafür telefonisch für den nächsten Tag ins Landes­kriminalamt zur Vernehmung vor, während sie für Kevin Schneider kurzerhand einen richter­lichen Hausdurchsu­chungsbeschluss erwirk­ten, da er im Internet direkt mit Mord und Amoklauf gedroht hatte, man ihn zu Hau­se überraschen und mögliche Beweismittel bei ihm sicherstel­len wollte.

 

Mein Leben ist zerstört!“, klagte Mary von Schönbrunn mit von Tränen überströmtem Ge­sicht. Die Schülerin wurde von ihren Eltern und einem Rechtsanwalt der reichen Industrie­ellenfamilie be­gleitet. „In der siebten Klasse habe ich mich uns­terblich in Adi verliebt, es war wirkliche Liebe auf den ersten Blick! Dann hab ich ihm immer Liebes­briefe ge­schrieben und unsere Namen mit rosa Kreide in ein großes Herz auf dem Schulhof ge­malt. Auf einer Klassenreise, als ich gerade vier­zehn geworden war, habe ich mich dann richtig an ihn range­macht und ihn in einer Nacht einfach verführt, auf dem Dach­boden von dem Schul­landheim! Seitdem sind wir das größte Liebes­paar der Welt! Er hat mir immer versprochen, wenn ich sechzehn werde, verlässt er seine Frau und seine dämlichen Kinder für mich! Bis dahin müssen wir alles geheim halten, um unsere Liebe nicht zu ge­fährden. Aber als ich vor drei Wochen Geburtstag hatte und sech­zehn wurde, hat er mich immer noch weiter hingehalten! Er wurde immer komischer und abweisend und hat mich wie eine ganz norma­le Schülerin behandelt. Und das nachdem ich ihm damals meine Jungfräulichkeit geschenkt und es tausendmal mit ihm getrieben habe, dieses Dreck­schwein! Aber ich hab ihn immer noch geliebt! Und deshalb hab ich ihm den letzten Brief geschickt und wollte alles im Lehrerzimmer mit ihm klären!“

Dieses widerliche Dreckschwein!“, rief Marys Vater und schlug mit der Faust auf den Tisch. Ihre Mutter war inzwischen ebenfalls in Tränen ausge­brochen. „Hätte ich das gewusst“, wetterte der Va­ter, „dann hätte ich den Sitten­strolch eigenhän­dig aus der Stadt befördert, oder gleich ins Grab, das können sie mir glau­ben! Das war doch ein Krimi­neller, unsere Tochter so zu missbrauchen!“

Bitte beruhigen sie sich“, sagte Chantal. „Wir verstehen ihre Lage und ihre Aufregung, es handelt sich wohl um eine Dienstpflichtver­letzung gegenüber Schutzbefohle­nen, aber wir müssen den Fall aufklären und dazu sind diese Fragen leider er­forderlich.“

Haben sie denn in den letzten Jahren gar nicht bemerkt, dass ihre Tochter in diesem inti­men persönlichen Verhältnis zu Herrn Boxbeiß stand?“, fragte Müller die Eltern.

Nein!“, sagte der Vater erbost, während die Mutter den Kopf schüttelte und sich die Tränen mit einem Taschentuch ab­wischte. „Hätten wir das ge­wusst, dann wäre ich dem Täter gerne zuvorge­kommen! Aber wir hatten nicht den blassesten Schimmer davon!“

Ihr habt ja immer nur an die Arbeit ge­dacht“, klagte Mary an die Eltern gewandt. „Wie solltet ihr denn da merken, was ich alles mache. Aber es war wahre Liebe!“

Was ist dann an besagtem Abend gesche­hen?“, fragte Kommissar Müller. „Haben sie um 21 Uhr im Lehrerzimmer auf Herrn Box­beiß gewartet?“

Ja“, sagte Mary. „Ich hab mich erst auf ei­ner Toilette ver­steckt und irgendwann ins Leh­rerzimmer geschlichen. In einem kleinen Ne­benraum habe ich gewartet, hinter einem Re­gal versteckt, bis alle Lehrer weg waren. Am Abend kam dann Adolf, um mich zu treffen.“

Und dann?“, fragte Müller.

Er hat gesagt, dass wir unsere Liebe noch län­ger geheim halten müssen“, sagte Mary. „Er hatte nicht gewusst, dass sein Verhalten viel­leicht straf­bar war und sich erst jetzt darüber informiert. Wenn wir es ver­raten, dann würde man ihn entlassen oder zumin­dest versetzen und er müsste woanders arbeiten. Dann könn­ten wir uns auch nicht mehr so leicht treffen.“

Dieses verlogene, skrupellose Dreck­schwein!“, warf Marys Vater ein.

Aber er hat sich ganz lieb bei mir ent­schuldigt“, sagte die Schülerin. „Er wusste, dass er mir viel zumutete, aber wenn ich acht­zehn wäre und nach dem Abitur, dann würde er sofort seine blöde Frau verlassen und wir könnten dann zusammen­ziehen und für immer zusammen sein! Ich war ein­verstanden und wir haben uns noch total leiden­schaftlich geküsst und dann bin ich nach Hause ge­fahren.“

Und was hatte es mit deinen Selbstmord­plänen auf sich, die du in dem Brief erwähnt hast?“, fragte Müller. „Wie hättest du dich um­bringen wol­len?“

Ach“, sagte Mary und holte etwas aus ih­rer Jackentasche, „ich hatte das Taschenmesser dabei, damit wollte ich mir sonst die Pulsadern aufschnei­den. Aber ich glaube, ich hätte das gar nicht wirk­lich gekonnt. Ich wollte meinen Adi doch nur et­was unter Druck setzen, damit er sich endgültig für mich entschei­det. Aber dann haben wir uns wieder vertragen – und jetzt ist er tot! Das ist alles meine Schuld! Da­für sollte ich mich umbrin­gen! Ich will ohne Adolf nicht mehr leben!“

Wenn es sich so abgespielt hat, wie sie sa­gen“, meine Chantal, „dann trifft sie keine Schuld. Der Täter hätte ihm über­all auflauern können. Es war vermutlich reiner Zufall, dass sein Mör­der ihn gerade im Lehrerzimmer über­rascht hat, kurz nachdem sie da waren.“

Wie haben sie Herrn Boxbeiß eigentlich ihren Brief zu­kommen lassen?“, wollte Müller wissen.

Er war gerade nicht da, als ich zu ihm wollte, um ihm den Brief im Büro zu geben“, sagte Mary. „Den hab ich dann in ei­nem Brief­umschlag einer Lehrerin gegeben, damit sie ihn in sein Fach legt. Die hat gesagt, er kommt nachher auf jeden Fall noch wegen einer Kon­ferenz und bekommt dann den Brief.“

Und wer war diese Lehrerin?“, fragte Müller.

Das war Frau Feige“, sagte Mary.

Ist das die Ehefrau von dem Lehrer Bern­hard Feige?“, fragte Müller.

Genau, das ist unsere Kunst- und Musik­lehrerin“, sagte Mary.

Haben sie denn noch irgendetwas anderes be­merkt?“, fragte Müller. „Haben sie abends noch andere Personen in der Schule oder in der Nähe ge­sehen? Alles könnte helfen, um den Mord an Herrn Boxbeiß aufzuklären und den Täter zu fassen.“

Ich habe niemanden mehr gesehen“, sagte Mary. „Es war schon ziemlich dunkel und ich bin dann mit dem Rad nach Hause gefahren. Und Adi ist noch in der Schule geblieben.“

Dann haben wir derzeit keine weiteren Fragen mehr an sie“, sagte Müller.

Ich habe aber noch einige Fragen an diese Schulbehörde!“, wetterte Herr von Schön­brunn wutentbrannt. „Wie kann so ein Pervers­ling in dieser Stadt überhaupt Lehrer und Schulleiter werden? Das wird noch ein gehöri­ges juristisches Nachspiel für den Schulsenator haben!“

 

Als nächstes wurde Bernhard Feige vernom­men, der Abteilungsleiter der Oberstufe sowie Erdkunde- und Sportlehrer.

Herr Feige“, fragte Müller, „wo waren sie zur Tatzeit, letzten Montag zwischen 20 und 22 Uhr?“

Ich war zu Hause“, sagte der Lehrer, „ge­meinsam mit mei­ner Frau. Wir haben noch et­was gear­beitet, Klassenarbeiten korrigiert und Unterricht vorbereitet und so etwas, und im Hintergrund lief dabei so ein langweiliger Fernsehkrimi.“

Sie hatten immer wieder Konflikte mit ih­rem Schulleiter Herrn Boxbeiß“, sagte Müller. „Vor kurzem haben sie ihn tätlich angegriffen und ihm gedroht, ihn umzubringen. Was sagen sie dazu?“

Das war nicht ernst gemeint“, sagte Feige. „Das war nur so ein Spruch im Eifer des Ge­fechts, verstehen sie? Es ging wieder einmal um irgendeine Angelegenheit, bei der Boxbeiß mir schaden und mich klein halten wollte, wenn ich so offen sprechen darf. Eigentlich wäre ich vor einem Jahr für den Posten des Schulleiters vorgesehen gewesen! Aber Box­beiß hat hinter meinem Rücken im Kollegium intrigiert und als ich dann von der Lehrerge­samtkonferenz gewählt werden sollte, hat er sich plötzlich völlig überraschend selbst zur Wahl gestellt. Er hatte vorher heimlich seine Truppen ge­sammelt und wurde tat­sächlich mit drei Stimmen Vorsprung gewählt, stellen sie sich das mal vor! Die Schulbehörde hat ihn dann zum Oberstudiendirektor befördert und zum Schul­leiter ernannt, das war dann al­les nur noch rei­ne Formsache. Nachdem ich jahre­lang die gan­ze Arbeit geleistet und den al­ten Schulleiter nach Kräften unterstützt habe bis zum Umfal­len! Den Kollegen hat er wohl alle möglichen Ver­sprechungen gemacht, um sie auf seine Seite zu ziehen. Selbst diese Queru­lanten und Wich­tigtuer vom Per­sonalrat haben ihn unterstützt! Und mir ist er da­mit eis­kalt in den Rücken ge­fallen! Seitdem gab es natür­lich im­mer wieder Konflikte und er kon­struierte alle möglichen dienstlichen und fach­lichen Vor­wände, um mich zu mobben und weiter klein zu halten!“

Haben sie etwas mit Herrn Boxbeiß´ Tod zu tun?“, fragte Müller. „Sie sind einer der Hauptver­dächtigen.“

Um Gottes Willen!“, rief Feige. „Ich bin doch nicht wahn­sinnig! Damit habe ich nichts zu tun! Sie werden aber verste­hen, dass ich auch nicht ge­rade derjenige bin, der jetzt am meisten um den Kollegen trauert. Ich kann mir schon denken, dass er noch mehr Feinde hatte und es irgendjemandem mal zu viel mit ihm wurde. Aber ich war es nicht! Dafür würde ich niemals meine Freiheit und meine Karriere aufs Spiel setzen. Ich habe mich gerade erst an einem anderen Gymnasium um die Stelle des dortigen Schulleiters beworben und sehe dort allerbeste Chancen für mich. Dann wäre ich Boxbeiß und seine schäbigen Mobbingatta­cken sowieso bald losgeworden. Das hätte ich niemals riskiert, so eine sinnlose Straftat, glau­ben sie mir! Schon weil ich doch damit hätte rechnen müssen, dass es nahe liegend wäre, mich zu verdächtigen. Ich bin unschuldig!“

Sie könnten auch im Affekt gehandelt ha­ben“, sagte Müller. „Vielleicht haben sie ja die Kontrolle über sich verloren, wie bei ihrer kürzlichen verbalen Drohung. Sie mussten ih­ren Hass auf ihren Vorgesetzten endlich einmal rauslassen. Er hat sie wieder einmal bis aufs Blut gereizt und da haben sie ihn einfach tot­geschlagen!“

Unsinn!“, rief Herr Feige. „Ich war es nicht! Wie gesagt, ich war den ganzen Abend zu Hause bei meiner Frau.“

Ihre Frau ist auch Lehrerin an dem Gym­nasium?“, fragte Chantal.

Ja“, sagte Feige, „für Kunst und Musik.“

Stand sie auch in einem gespannten Ver­hältnis zu Herrn Boxbeiß?“, fragte die Beam­tin.

Sie hat mich natürlich immer vollkom­men unterstützt“, sagte Feige. „Aber öffentlich hat sie sich da eher zurückgehalten und den Kontakt mit diesem Ekelpaket wo es eben ging gemieden. Sonst gibt es dazu nichts mehr zu sagen.“

Vielen Dank, Herr Feige“, sagte Müller. „Ver­lassen sie bit­te vorerst nicht die Stadt und halten sie sich für eventuelle wei­tere Fragen zur Verfü­gung. Meine Kollegin begleitet sie hinaus.“

Guten Tag“, sagte Feige verärgert.

 

Der Schüler Kevin Schneider wurde um halb sie­ben von seltsa­men Geräuschen an der Tür der el­terlichen Wohnung in einer Plattenbau­siedlung ge­weckt. Kurz darauf stürmten meh­rere schwarz vermummte und behelmte Polizei­beamte des Son­dereinsatzkommandos in sein Zim­mer, rissen ihn aus dem Bett, warfen ihn brutal auf den Bauch zu Boden, ver­drehten ihm äu­ßerst schmerzhaft die Arme auf den Rücken, legten ihm Hand­schellen an und rich­teten Maschi­nenpistolen auf seinen Kopf. Die schockierten Eltern und seine beiden klei­neren schreienden Geschwis­ter wurden entspre­chend in anderen Räumen in Gewahrsam ge­nommen.

Später saß Kevin gefesselt auf einem Stuhl in­mitten seines verwüsteten Zimmers, das die Poli­zisten bei der Durchsuchung völlig auf den Kopf gestellt hatten. Sein Homecom­puter, sein Laptop und sein Smartphone sowie alle seine weiteren elektroni­schen Datenträger waren be­schlagnahmt und ins Landeskriminalamt weg­geschafft worden, um sie nach Tathinwei­sen und Beweismitteln zu durchforsten. Außerdem hatten die Beamten in seinem Zimmer eine Gaspistole gefunden sowie zwei Schreck­schusspistolen, wie man sie an Sil­vester ver­wendet, drei Pfef­ferspraydosen, eine Paint­ballausrüstung mit entspre­chendem Gewehr, ein Samu­raischwert, ein Springmes­ser, zwei Butterfly­messer und fünf Ninja­wurfsterne, die Kevin sich alle­samt im Internet bestellt oder bei gleichgesinn­ten Freu­den be­sorgt hatte. Das Schwert, das nur zu De­korationszwecken in stumpfer Form geliefert wurde, hat­te er ei­genhändig mit einem Schleif­stein aus der Werkstatt eines bekannten Auszu­bildenen ge­schärft. An den Wänden des Ju­gendzimmers hin­gen zahlreiche Poster von Splatterhorrorfil­men und Blackme­talbands so­wie ei­nige einge­rahmte Fotos von alten Schüt­zenpanzern und Kriegsflugzeu­gen, ver­mutlich aus dem Zwei­ten Weltkrieg.

Sie scheinen ja ein ziemlicher Waffennarr zu sein!“, sagte Kommissar Müller und fixierte den Jungen mit bösem Blick.

Was soll der Scheiß!?“, rief Kevin. „Das ist bloß mein Hobby! Ich bin auch Sportschüt­ze und spiele gern Ballerspiele, na und!? Das macht mir eben Spaß, wie Millionen anderen auch, und ich hab niemanden damit verletzt!“

Aber bedroht“, sagte Müller. „Sie haben im Internet ange­kündigt, ihren ehemaligen Schulleiter Herrn Adolf Boxbeiß zu ermorden und sogar einen Amoklauf an ihrer ehemaligen Schu­le zu veranstal­ten! Ich zitiere ihren Ein­trag: Boxbeiß ist tot! Das Dreckschwein wird abgeschlachtet! Das wird ein geiler Amok­lauf! Noch besser als in Erfuhrt und in Win­nenden! Ich geh bis an die Zähne bewaffnet in die Schule und knall die dummen Lehrer­schweine alle ab! Das Blut wird in Strömen fließen! Boxbeiß, du altes Mistschwein, dein Grab ist schon ge­schaufelt! Ich knall dich ab!!! Und Herr Boxbeiß ist zufällig vorgestern tot in der Schule aufgefun­den worden, wie sie vielleicht wissen!“

Ja, das kam in den Nachrichten“, sagte Kevin. „Geschieht dem alten Dreckssack recht! Irgendje­mand musste sich mal wehren! Aber ich war das nicht! Das im Internet, man, da hab ich doch bloß mal Dampf abgelassen, weil das Schwein mich weggemobbt hat! Aber den echt abzuknallen oder totzuschlagen oder so, das hab ich doch gar nicht nötig! Der hat bestimmt tausend Feinde an der Schule ge­habt! Und irgendeiner hat ihn eben erledigt!“

Vielleicht waren sie das“, sagte Chantal.
„Wollten sie sich etwa an ihm rächen?“

Ich war es nicht!“, beharrte der Junge.

Warum wurden sie von der Schule ver­wiesen?“, fragte Chantal.

Na, angeblich, weil ich ne Waffe mit in der Schule hatte“, sagte Kevin. „So´n Messer, wie sie vorhin gefunden haben, so´n kleines Springmesser. Aber dafür be­kommt man doch höchstens ne Ver­warnung. Und erst nach drei Verweisen fliegt man raus! Der scheiß Box­beiß hat das aber so hochgespielt, als wenn ich ihn bedroht hätte und abstechen wollte. Dabei hat­te ich das Ding nur in der Tasche und un­term Tisch und in der Pause mal meinen Freunden gezeigt. Das Dreckschwein hat gelo­gen wie gedruckt!“

Warum hätte Herr Boxbeiß das machen sollen?“, fragte Chantal.

Dem hat das nicht gepasst“, fuhr Kevin fort, „dass ich mir nicht alles von dem gefallen lasse, von dem scheiß Lehrer, ey! Ich hab mei­ne Mei­nung gesagt, auch das es voll widerlich ist, wie der sich an Schülerinnen ranmacht. Das weiß doch jeder, dass der gerne mit geilen Mädchen gepoppt hat! Bestimmt hat er den Schlampen dann bessere Noten für den Sex gegeben, der dumme Fickpenner!“

Mit welchen Mädchen soll er das denn zum Beispiel gemacht haben?“, fragte Chantal.

Ach, mit der geilen Mary Schönbrunn“, sagte Kevin, „aus meiner Klasse, und mit meh­reren an­deren Mädchen aus ande­ren Klassen auch noch, keine Ahnung. Mary hat er jeden­falls dauern gevö­gelt, dieses Dreckschwein!“

Eifersüchtig, was?“, stichelte Müller.

Ey, man, Alter!“, rief Kevin, „Das ist doch voll pervers! Der alte Sack mit den Mäd­chen, als Lehrer fickt er die einfach, der war doch über fünfzig Jahre alt, total pervers und ekel­haft! Aber weil ich das ange­sprochen hab, da hat der Typ das mit dem Messer gleich be­nutzt, um mich voll ungerecht anzuschwärzen und direkt von der Schule zu schmeißen!“

Wo waren sie denn zur Tatzeit“, fragte Müller, „letzten Montag zwischen 20 und 22 Uhr?“

Da war ich gar nicht in der Stadt“, sagte Ke­vin. „Seit ich von der Schule geflogen bin, hab ich noch keine andere gefun­den, wo man mich auf­nimmt. Wer will schon einen angebli­chen Gewalt­täter, der den Schulleiter abste­chen wollte? Meine Noten waren bei solchen Idioten von Lehrern natürlich auch nicht gera­de die besten! Deshalb hatte ich frei und war zu der Zeit auf einem Paintballturnier außer­halb der Stadt. Für fünf Tage hab ich da bei Freunden gewohnt und gestern Abend bin ich erst wieder hier gewesen. Tja, dumm gelaufen was!? Die Veranstalter und die ganzen Teilneh­mer können das bezeugen. Mein Team war üb­rigens Sieger!“

Wir werden das alles genau überprüfen“, sagte Müller.

Machen sie nur!“, rief Kevin. „Ihr Bullen­schweine seid doch genauso bescheuert wie die scheiß Lehrer! Boxbeiß hat mein Leben zerstört, deshalb hätte ich ihn gern plattge­macht und hab das im Internet gepostet! Aber ich war es leider nicht, hehe!“

Vielen Dank und einen schönen Tag noch“, sagte Müller und verließ mit Chantal die Wohnung der Familie Schneider. Später wurde das Alibi von Kevin bestätigt und auf seinen Datenträgern wurden auch keine Hin­weise auf die Tat gefunden.

 

Die Hausfrau Sieglinde Boxbeiß, eine zierliche und schüchtern wirkende Frau Mitte Vierzig, hatte nach dem Tod ihres Mannes einen Ner­venzusammenbruch erlitten und brach bei der Befragung durch die Ermittler bald erneut in Tränen aus. Ihre beiden Kinder, einen fünf­zehnjährigen Sohn und eine dreizehnjährige Tochter, die ebenfalls das Gymnasium des Va­ters besuch­ten, hatte sie zu­nächst zu ihren El­tern an den Stadtrand gebracht, damit sie den schockieren­den Tod des Vaters dort betrauern und in aller Ruhe verarbeiten sollten.

Haben sie in letzter Zeit in ihrem Umfeld ir­gendetwas be­merkt, dass mit dem Mord an ihrem Ehemann in Verbindung stehen könnte, Frau Boxbeiß?“, fragte Kommissar Müller.

Nein, eigentlich gar nichts“, antwortete sie. „Mein Mann hat immer von al­len mögli­chen Schwierigkeiten und Streitig­keiten bei der Arbeit geklagt. Bis zur Geburt meines ers­ten Kindes habe ich ja selbst in Teil­zeit als Lehrerin gearbeitet und ich weiß, was es da oft für Stress und Belastungen gibt. Eini­ge Kolle­gen an der Schule haben ihn um sei­nen Erfolg und seine Karriere beneidet und ihm die Arbeit als Schulleiter manchmal regel­recht zur Hölle gemacht. Aber dass jemand zu so etwas fähig sein könnte, das hätten wir nie­mals geglaubt!“

Bitte verstehen sie das nicht falsch“, sagte Müller, „aber ich muss sie das fragen, um alle Hin­weise zu erwägen und den Mord an ihrem Mann aufzuklären. Hatten sie selbst einmal Konflikte mit ihrem Mann oder Probleme in ihrer Ehe oder ih­rer Familie?“

Nein“, sagte Frau Boxbeiß. „Wir haben uns geliebt und eine glückliche Ehe geführt. Adolfs Kar­riere ging super voran und ich war glücklich zu Hause mit den Kindern und mei­nen ehrenamtli­chen Aufgaben. Die einzigen kleineren Konflikte gab es vor etwa zehn Jah­ren, als wir in das neue Haus umgezo­gen sind und uns mit den kleinen Kindern alles etwas über den Kopf gewachsen ist. Aber ich denke, das war ganz normal, und wir ha­ben dann auch alles wunderbar gemeistert. Meine Eltern ha­ben uns damals finanziell etwas unter die Arme gegrif­fen, da hatten wir natürlich Glück, mein Vater war ja früher Wirtschaftsminister und erfolgreicher Unternehmer. Das Haus ist inzwischen längst abbe­zahlt und seitdem ging alles so wunderbar bergauf. Manchmal hat Adolf über sei­ne Arbeit und die un­dankbaren Kolle­gen ge­schimpft, oder über lästige Schüler und Eltern, aber bei uns zu Hause in der Fami­lie gab es niemals ernst­hafte Proble­me.“

War es üblich“, fragte Müller, „dass ihr Mann noch am späteren Abend in der Schule war oder wissen sie, ob er dort gerade zur Tat­zeit etwas be­stimmtes vorhatte?“

Meistens war er so zwischen sechzehn und siebzehn Uhr zu Hause“, sagte Frau Box­beiß. „Aber es gab immer mal ein­zelne Termi­ne, die auch noch später am Abend waren. Das war nichts besonderes und deshalb hab ich auch an dem Tag nicht genauer nachgefragt. Er hatte noch irgendetwas in der Schule zu besor­gen, soweit ich weiß.“

Wo waren sie zu dieser Zeit?“, fragte Müller. „Am Montag von 20 bis 22 Uhr?“

Ich war mit den Kindern zu Hause“, sagte sie. „Ich habe einige Hausarbeiten erledigt und dann Fernsehen geschaut, die Tagesschau und so einen Kriminalfilm, glaub ich.“

Haben sie ihren Mann später an diesem Abend nicht vermisst?“, erkundigte sich Mül­ler.

Nein“, antwortete Frau Boxbeiß. „Wie ge­sagt, manchmal hatte er abends noch länger in der Schule zu tun und ich bin an dem Abend dann um halb elf schlafen gegangen. Das er noch nicht da war, dabei hab ich mir nichts weiter gedacht. Wenn er wichtige Besprechun­gen hat, dann ruft er mich um die Zeit ja auch nicht mehr an. Am nächsten Morgen wurde ich dann vom Klingeln der Polizei geweckt.“

Vielen Dank, Frau Boxbeiß“, sagte Mül­ler. „Es tut mir Leid, dass wir sie in dieser Si­tuation noch einmal behelligen mussten. Noch­mals mein herzlichstes Beileid und alles gute für sie und ihre Kinder.“

Danke“, sagte sie schluchzend. „Ich weiß, dass sie ihr bestes tun. Bitte finden sie den Mörder meines Mannes, auch wenn ihn das nicht zurückbringen kann!“

 

Am Abend kam Chantal mit einer neuen Spur zu Kommissar Müller ins Büro.

Schau dir das mal an, Tommy“, sagte sie. „Was ist das wohl?“

Es sieht ganz so aus wie der Liebesbrief, den Mary von Schönbrunn an Adolf Boxbeiß geschickt hat“, sagte Müller und trank einen weiteren Schluck starken schwarzen Kaffee.

Genau“, sagte Chantal.

Also, was soll daran neu sein?“, fragte der Ermittler.

Es ist eine Kopie“, sagte Chantal.

Und was bedeutet das?“, wollte Müller wissen.

Wir haben sämtliche Computer in der Schule überprüft“, sagte die junge Beamtin. „Das war na­türlich wieder mal eine Heidenar­beit für die Kolle­gen. Aber diesmal hat es et­was ge­bracht!“

Und das wäre?“, fragte Müller.

Sämtliche Kopien, die in der Schule ge­macht werden, müssen automatisch in einem Computer­programm registriert und ge­speichert werden“, erklärte Chan­tal. „Das ist vorge­schrieben, um Urheberrechtsverletzungen zu ver­hindern, weil nicht mehr Seiten als geneh­migt aus einem be­stimmten Lehrbuch oder so kopiert werden dürfen. Eigentlich völliger Schwachsinn, mit dem die Ver­lage den Schu­len mög­lichst viel Geld aus der Ta­sche ziehen wollen, na ja, wie dem auch sei. Jeden­falls hat sich dadurch eine weitere Spur erge­ben!“

Spann mich nicht so auf die Folter!“, sag­te Müller. „Ver­mutlich ist der Liebesbrief also auf ei­nem Kopierer in der Schule kopiert wor­den.“

So ist es!“, sagte Chantal begeistert. „Und die­se Kopie wurde ordnungsgemäß registriert und ge­speichert. Ich glaube kaum, dass Mary den Brief hat kopieren lassen, denn es haben da nur Lehrer Zugang zum Kopierraum, und erst recht glaub ich nicht, dass Herr Boxbeiß diesen für ihn heiklen Brief ko­piert hat.“

Theoretisch könnte es einer von ihnen ge­wesen sein“, meinte Müller, „aber ich sehe schon, worauf du hinaus willst.“

Höchstwahrscheinlich“, fuhr Chantal fort, „hat die Lehre­rin Frau Feige den Brief von Mary an ihren Schulleiter geöffnet und eine Kopie davon angefertigt.“

Das ist natürlich aufschlussreich“, sagte Mül­ler. „Sie könnte den Brief ihrem Mann Bernhard Feige ge­zeigt ha­ben. Jedenfalls dürf­te die Beziehung zwischen Boxbeiß und Mary nicht mehr völlig geheim gewesen sein. Viel­leicht hat es auch schon vorher uner­wünschte Mitwis­ser gege­ben, wenn man die Aussagen von Kevin Schneider dazu bedenkt. Die Ehe­leute Feige sind damit jedenfalls um so ver­dächtiger, etwas mit dem Mord zu tun zu ha­ben. Denn sie haben von der Lieb­schaft und dem geplan­ten Treffen im Lehrer­zimmer ge­wusst.“

Zumindest Frau Feige“, warf Chantal ein. „Aber wahr­scheinlich hat sie die Kopie auch ihrem Mann gezeigt, der da­mit etwas gegen den verhass­ten Schuldirektor in der Hand hät­te. Und den Brief hat sie nach dem Kopieren wei­tergeleitet, weil sie keinen Grund sah, das an­visierte Treffen zu sabo­tieren oder auch, um sich selbst nicht der Spionage verdächtig zu machen, denn Mary hätte später viel­leicht er­fahren, wenn der Brief nicht wie verspro­chen bei Herrn Boxbeiß angekommen wäre.“

Gute Arbeit!“, lobte Müller.

Ich habe aber noch etwas“, sagte Chantal und holte schnell eine durchsichtige Plastiktüte mit ei­nem golden glänzenden großen Gegen­stand darin. „Die Spurensicherung hat das hier sichergestellt. Es ist ein Fußballpokal, der bis vor kurzem noch in einer Vitrine in dem Gym­nasium stand. Er wurde aber in ei­nem Müll­container im Hinterhof gefun­den. Frische Fin­gerabdrücke waren nicht daran, man hat sie of­fensichtlich gründlich abgewischt oder den Po­kal mit Handschuhen angefasst. Aber er ist deutlich verbeult und diese Form passt haarge­nau zum zer­trümmerten Schädel von Schuldi­rektor Boxbeiß, wie die Faust aufs Auge! Au­ßerdem waren noch Gewebespuren daran fest­zustellen und Professor Streber konnte sie im Laborvergleich eindeu­tig mit den Gewebepro­ben des Opfers identifizie­ren!“

Dann haben wir also die mutmaßliche Tatwaffe!“, rief Müller. „Ich glaube, wir kom­men der Sache immer näher!“

 

Thomas Müller und Chantal Potter befragten am nächsten Tag er­neut Bernhard Feige, dies­mal gemeinsam mit sei­ner Ehefrau Cindy Fei­ge, zu den Vor­gängen um den Liebesbrief und den Mord im Lehrerzimmer.

Kennen sie diesen Brief?“, fragte Müller und hielt das Schreiben mit der rosa Hand­schrift und den roten Herzchen hoch. „Sie ha­ben ihn in der Schule weitergeleitet, Frau Fei­ge. Wir vermuten, dass sie eine Kopie davon angefertigt und ihrem Mann gezeigt haben, denn eine Kopie wurde nach­weislich angefer­tigt und dabei automatisch elektronisch gespei­chert. Damit wussten sie also von dem heimli­chen Liebesverhältnis zwischen Schulleiter Boxbeiß und der Schülerin Mary von Schön­brunn. Und sie wussten aus dem geöffneten Brief auch von dem geplanten Treffen im Leh­rerzimmer. Da sie außer­dem in einem nicht ge­rade freund­schaftlichen Ver­hältnis zu ihrem verstorbenen Vor­gesetzten stan­den, sondern ihm vorwerfen, er habe ihnen, Herr Feige, ge­wissermaßen die Schulleiterstelle vor der Nase weg­geschnappt, und ihn sogar kürzlich mit dem Tode bedroht haben, sind sie beide die Hauptver­dächtigen in dem Mordfall!“

Ich wusste nichts von diesem Brief!“, rief Herr Feige entsetzt. „Ich hatte keinerlei Ah­nung davon! Das bestätigt aber nur meine Ein­schätzung von Herrn Boxbeiß, wenn ich das jetzt sehe!“

Und was sagen sie dazu, Frau Feige?“, fragte Müller. „Sie haben diesen Brief doch für Mary weitergeleitet oder etwa nicht?“

Ich soll diese Schmiererei weitergeleitet haben?“, fragte Frau Feige abwehrend. „Das weiß ich nicht mehr, kann schon sein, ich erin­nere mich nicht an alles, was ich für irgend­welche daher gelaufenen Schüler in die Fächer der Kollegen legen soll! Das kommt doch dau­ernd vor. Und ich öffne doch nicht einfach fremde Briefe und lese das. So etwas interes­siert mich nicht!“

Aber dass der Brief in einem Umschlag war, der erst geöffnet werden musste, das scheinen sie ja zu wissen“, sagte Müller. „Wir hatten davon nichts erwähnt.“

Ach was, Unsinn“, sagte Cindy Feige. „Das hab ich doch nur so gesagt, dabei hab ich mir nichts ge­dacht. Man leitet doch tausend Sachen weiter, und oftmals sind Briefe eben in Umschlä­gen, gerade bei so einem albernen Liebesbrief, den wird man wohl nicht einfach so offen zeigen!“

Daraus können sie uns nun wirklich kei­nen Strick drehen, Herr Kommissar!“, sagte Bernhard Feige. „Ihre Anschuldigungen sind doch lächerlich!“

Dann finden sie es vielleicht genauso lä­cherlich“, sagte Müller, „wenn ich sie wegen dringenden Tatverdachts des Mordes an Adolf Boxbeiß vorläufig festnehmen lasse?! Das wird ihrer Karriere als Schulleiter, an welcher Schule auch immer, si­cherlich sehr förder­lich sein, oder was meinen sie?!“

Das ist eine bodenlose Unver­schämtheit!“, rief Herr Feige. „Ich bin un­schuldig! Und das wird sich auch erweisen! Aber trotz­dem könn­te ich mei­ne Bewerbung um einen Schulleiter­posten damit natürlich für immer begraben! Das ist vorsätzlicher Rufmord!“

Dann sollten sie vielleicht in ihrem eige­nen Interesse etwas besser mit uns kooperie­ren“, sagte Müller. „Was sa­gen sie dazu, Frau Feige? Möchten sie, dass ihr Mann morgen als Mordverdächtiger auf allen Titelblät­tern aller Zeitungen zu sehen ist? Dann erlangt er nie­mals den angestrebten Posten eines Schullei­ters!“

Hören sie auf!“, rief Frau Feige. „Mein Mann hat damit wirklich nichts zu tun! Ja, er ist manch­mal etwas aufbrausend und konnte Adolf Boxbeiß niemals seinen Verrat verzei­hen. Aber den Mord hat er nicht begangen!“

Das klingt doch schon besser“, sagte Mül­ler, während Herr Feige seine Frau entgeistert anblickte. „Ich bin gespannt, was sie zur Klä­rung beitra­gen möchten.“

Was hat das zu bedeuten?“, fragte der Lehrer.

Ja, es stimmt“, sagte seine Frau. „Ich habe den Brief ge­öffnet und auch kopiert. Aber mei­nem Mann habe ich ihn nie gezeigt. Das Origi­nal habe ich wieder in den Briefumschlag ge­steckt und Herrn Boxbeiß zukommen lassen. Und nachdem ich an diesem Tag recht früh Dienstschluss hatte, bin ich zum Haus der Fa­milie Boxbeiß gefahren. Ich wusste, dass Adolf Boxbeiß nicht zu Hause war, weil er zu dieser Zeit bei einer Konferenz in der Schule sein musste. Dessen habe ich mich nochmal te­lefonisch unauffällig bei einer Kollegin versi­chert und dann an seiner Haustür geklingelt, um seine Frau zu sprechen. Die Kopie des Liebesbriefes habe ich Frau Boxbeiß ge­zeigt und ihr von den fragwürdigen Machen­schaften ihres Mannes erzählt. Glauben sie mir, die kleine verwöhnte Göre Mary von Schönbrunn war sicherlich nicht die einzige, mit der sich unser werter Schulleiter gerne außerhalb seiner Ehe vergnügt hat. Das war doch ein offenes Geheimnis, dass er es gerne mit den jungen Dingern trieb! Wir haben das im Kollegium aber immer ignoriert, man will ja auch nicht dem Ruf der eigenen Schule schaden und dann als Nestbeschmutzer gelten. Aber mit diesem Brief hatte ich erstmals einen ziemlich stich­haltigen Beweis. Und noch besser wäre es na­türlich, ihn auf frischer Tat bei diesem Treffen zu ertappen. Das alles habe ich also Frau Box­beiß er­läutert, ge­wissermaßen von einer be­sorgten und mitfüh­lenden Frau zur anderen, weil ich nicht mehr länger mit ansehen konn­te, wie der freche Lustmolch seine Schülerinnen und seine eigene Ehe­frau behandelte! Das un­sere ständigen Kon­flikte mit Box­beiß dabei auch eine gewisse Rolle gespielt haben, will ich gar nicht leug­nen. Endlich hat­ten wir so et­was ge­gen ihn in der Hand, und deshalb hab ich das eben seiner Frau berichtet, um ihm Schwierig­keiten zu be­reiten, die ihn vielleicht seine Ehe und seine Schulleiterstelle kosten würden. Das hab ich getan. Nicht mehr und nicht weniger!“

Davon wusste ich nichts“, sagte Bernhard Feige. „Und überhaupt, meine Frau hat zwar einen Brief geöffnet und war etwas indiskret, aber es war doch letztlich durchaus berechtigt, so zu handeln und Frau Boxbeiß über das Ver­halten ihres Mannes aufzuklären. Mit dem Mord haben wir nicht das geringste zu tun!“

Das wird sich noch zeigen“, sagte Müller. „Ich glaube kaum, dass sie sich richtig verhal­ten haben, sonst gäbe es jetzt vielleicht keinen Mord. Vorläufig werde ich jedoch von einer Verhaftung absehen.“

 

So könnte es sich abgespielt haben“, sagte Kom­missar Müller später zu Chantal. „Frau Feige zeig­te Frau Boxbeiß die Kopie des Lie­besbriefs mit dem geplanten Treffen im Leh­rerzimmer und brachte weitere Anschuldigun­gen gegen ihren Ehemann vor. Frau Boxbeiß lauerte ihrem Mann dort abends auf und beob­achtete die ganze Szene mit Mary. Nachdem sie die beiden zu­sammen gesehen und be­lauscht hatte und nachdem Mary den Ort ver­lassen hatte, erschlug Frau Boxbeiß ihren Mann mit dem schweren Fußballpokal. Wenn sie fünf oder sechs mal zu­geschlagen hat, wie Professor Streber berechnet hat, dann dürf­ten die Schläge auch bei ihrer zierlichen Gestalt für die Kopfverlet­zung und den Tod ihres Mannes ausgereicht haben. Ihre Kinder waren vermutlich zu Hause in ihren Zimmern und ha­ben von dem Ausflug ihrer Mutter nichts ge­merkt, da die Schule gar nicht weit vom Haus der Familie entfernt ist. Das Ganze kann sich in einer halben Stunde abgespielt haben. Wir müssen die Kinder natürlich danach befragen, aber ich denke, Frau Boxbeiß ist jetzt dringend der Tat verdächtig.“

Aber was hat es dann mit diesem Schlaf­mittel auf sich“, fragte Chantal, „das Streber in Unmengen im Körper von Boxbeiß gefunden hat?“

Ja, das möchte ich auch gerne wissen“, sagte Müller. „Da fehlt uns offensichtlich noch ein Puzzlestein. Ich hoffe, dass wir auch dieses Rätsel lösen können. In jedem Fall ist derzeit Frau Boxbeiß die Hauptverdächtige am Mord ihres Mannes. Die Aussagen des Ehepaars Fei­ge erscheinen mir recht glaubwürdig. Wir wer­den Frau Boxbeiß noch einmal befragen und wenn sich der Verdacht erhärtet, müssen wir sie festnehmen.“

 

Gerade als die beiden Kommissare sich auf den Weg zu Frau Boxbeiß machen wollten, kam ein aufgeregter Kollege auf sie zu.

Es gibt einen Notfall“, sagte der Beamte. „Ein gewisser Robert von Schönbrunn hat eben angerufen. Er hat entdeckt, dass seine Pistole samt Munition verschwunden ist. Er hatte sie in einem Schrank im Schlafzimmer in einer abgeschlossenen Schublade aufbewahrt. Diese Schublade war aufgebrochen und die Eheleute von Schönbrunn vermuten, dass ihre Tochter Mary die Waffe an sich gebracht hat. Ihr habt das Mädchen doch kürzlich im Mord­fall Adolf Boxbeiß vernommen. Jetzt dürfte sie im Besitz der Pistole ihres Vaters sein und könnte sich oder anderen damit etwas antun. Die Eltern haben keine Ahnung, wo sie sein könnte, per Handy ist sie nicht zu erreichen.“

Scheiße!“, sagte Chantal. „Sie trauert um Boxbeiß und gibt sich womöglich die Schuld an seinem Tod. Wer weiß, was sie mit der Waf­fe anstellt?“

Vielleicht wollte sie damit doch noch Selbstmord verüben“, überlegte Müller.

Dann hätte sie das aber auch gleich zu Hause machen können, oder?“, fragte Chantal.

Eigentlich schon“, sagte Müller. „Es könnte aber sein, dass sie sich noch nicht si­cher war oder dass sie es an einem bestimmten Ort tun will, der eine besondere Bedeutung für ihrer Liebesbeziehung hatte.“

Dafür kommt in erster Linie die Schule in Frage“, sagte Chantal.

Richtig“, sagte Müller. „Lass uns mal auf gut Glück dahin fahren. Etwas besseres fällt mir im Moment auch nicht ein. Ich ruf gleich mal da an. Und ihr haltet uns bitte auf dem Laufenden, wenn es was neues in der Sache geben sollte.“

Ok, Tommy“, sagte der Kollege. „Ich gebe gleich eine Personenfahndung nach Mary von Schönbrunn heraus.“

Müller und Chantal liefen zu ihrem Wagen und fuhren los. Auf der Fahrt rief Müller zu­nächst im Schulbüro des Gymnasiums an, doch das war gerade nicht besetzt, weil diese Woche aufgrund des Mordfalls noch schulfrei war und der stellvertretende Schulleiter sowie die Sekretärinnen sich ebenfalls frei genom­men hatten. Daraufhin rief er den Hausmeister an und erreichte ihn auf seinem Smartphone. Hermann Pütz hatte jedoch bisher nichts be­sonderes bemerkt.

Am Vormittag war nur diese Selbsthilfe­gruppe da“, sagte der Hausmeister, „mit einem Pfarrer und einer Psychologin zur Verarbeitung der ganzen Geschichte mit einem Dutzend Schüler, die das freiwillig machen. Und jetzt nutzt gerade eine Turngruppe die Sporthalle, soweit ich weiß. Sonst war heute nichts los.“

Wissen sie zufällig“, fragte Müller, „ob eventuell die Schülerin Mary von Schönbrunn heute da war?“

Nein“, sagte Pütz. „Ich kenne sie von den Klassenfotos und so. Aber die habe ich heute nicht gesehen.“

Vielen Dank“, sagte Müller. „Bitte halten sie weiter die Augen offen und melden sich so­fort bei mir, wenn sie Mary sehen sollten oder ihnen noch etwas anderes auffällt. Wir kom­men gleich nochmal an die Schule, weil wir Mary suchen und sie vielleicht dort auftauchen könnte.“

Alles klar“, sagte Pütz.

Dann bis gleich“, sagte Müller und steck­te sein Smartphone wieder ein.

Kurz darauf kamen die Ermittler an der Schule an. Sie sprachen mit dem Hausmeister und vergewisserten sich anhand von Fotos, dass er wusste, um wen es sich bei Mary von Schönbrunn handelte. Dann schauten sie in die Sporthalle der Schule, aber dort war offenbar nur eine Turngruppe mit Kleinkindern aus ei­nem benachbarten Kindergarten am Werke und ebenfalls keine Spur von Mary.

Die Chancen stehen schlecht, dass wir sie hier treffen“, sagte Chantal, als sie wieder über den Schulhof zum Parkplatz gingen. „Aber was sollen wir sonst tun?“

Wenn ich es so recht bedenke“, sagte Müller „dann glaube ich eigentlich nicht, dass Mary sich umbringen will. Immerhin hätte sie dazu auch schon früher Gelegenheit gehabt.“

Man weiß doch nie, wie jemand in dem Alter tickt“, sagte Chantal. „Nach dem was sie schon erlebt hat, dürfte ihr Verhalten ziemlich unberechenbar sein.“

Sicher“, sagte Müller. „Aber umbringen könnte sie sich auch, wie schon angedeutet, mit einem Messer oder irgendwie anders. Eine Schusswaffe erscheint mir insbesondere auch geeignet, damit jemand anderen zu töten.“

Und wer sollte das sein?“, fragte Chantal.

Mir geht ein Licht auf!“, rief Müller. „Nach dem Mord an Boxbeiß wurden doch die Interneteinträge von Kevin Schneider weiter verbreitet und schließlich der Polizei gemeldet. Mary könnte ebenfalls die Beiträge gelesen ha­ben und deshalb Kevin für den Mörder von Boxbeiß halten. Von unserer Befragung und von seinem Alibi weiß sie ja nichts.“

Da könnte was dran sein“, sagte Chantal. „Wir sollten also versuchen, Kevin zu errei­chen, und ihn vorsichtshalber warnen.“

Sein Smartphone liegt beschlagnahmt im Landeskriminalamt“, erinnerte Müller. „Aber ich versuche es mit dem Festnetzanschluss der Eltern.“

Kevins Mutter, die ans Telefon ging, war nach den kürzlichen Erfahrungen alles andere als gut auf die Polizei zu sprechen. Kevin war ihren Angaben zufolge gerade nicht zu Hause, aber Frau Schneider konnte nach einigem hin und her mitteilen, dass ihr Sohn zu einem Filmfestival für Fantasy-, Science-Fiction- und Horrorfilme in der Stadt gehen wollte. Müller bat sie, sobald sie wieder Kontakt mit Kevin hätte, diesem auszurichten, dass er sich bei dem Kommissar melden solle.

Wollen wir jetzt hier bleiben“, fragte Chantal, „oder zu diesem Festival fahren? Oder zurück ins Hauptquartier?“

Lass uns zu dem Kino fahren“, sagte Mül­ler. „Hier in der Schule sind im Moment offen­bar weder Mary noch Kevin, aber den Jungen könnten wir bei dem Festival antreffen. Wenn sich inzwischen etwas anderes ergibt, werden die Kollegen uns schon Bescheid sagen.“

Eine Viertelstunde später waren Müller und Chantal vor dem Kino, in dem das Film­festival stattfand. Es war am frühen Nachmit­tag und die ersten Filme würden in etwa einer halben Stunde anfangen. Allerdings standen schon einige Dutzend Festivalgäste auf dem Vorplatz und im Eingangsbereich des Kinos in Unterhaltungen vertieft und bei der Einnahme von Getränken und kleinen Snacks. Die Kom­missare stiegen aus ihrem Wagen und gingen unauffällig in Richtung Kino.

Dahinten“, flüsterte plötzlich Müller und deutete mit dem Zeigefinger auf eine kleine Gruppe neben dem Eingang. Dort stand Kevin Schneider mit einer Flasche Cola in der einen und einem Programmheft oder etwas ähnli­chem in der anderen Hand und unterhielt sich mit zwei andern Jungen.

Ja, da ist er“, sagte Chantal. „Aber, hey, schau mal dahinten. Da kommt Mary!“

Mary kam von der anderen Seite die Straße entlang auf das Kino zu. Sie blickte sich wü­tend unter den Festivalbesuchern um und er­kannte schließlich den Gesuchten. Das Mäd­chen hatte die wüsten Morddrohungen von Ke­vin gegen Boxbeiß gesehen und auf der Face­bookseite des Jungen erfahren, dass er heute dieses Festival besuchen würde. Sie zog die Pistole ihres Vaters aus der Jacke und richtete sie auf Kevin.

Zur Seite, ihr Idioten!“, rief Mary. „Ich will nur dieses Schwein töten!“

Die Jungen im Kreis von Kevin und die anderen umstehenden Leute wichen erschreckt zurück, als sie das Mädchen mit der Pistole sa­hen. Mary zielte mit bösem Blick auf ihr Op­fer, als Müller und Chantal herbei liefen und ihre Dienstwaffen zogen.

Waffe runter!“, brüllte Müller und zielte ebenso wie Chantal auf Mary. „Der Junge war es nicht!“

Ich hab seine Drohungen gelesen!“, rief Mary und blickte verwirrt zwischen den Kri­minalbeamten und dem Jungen hin und her, der jetzt vor Angst erstarrt und leichenblass mit der Mündung der Pistole vor dem Gesicht dastand.

Mach dich nicht unglücklich, Mary“, sag­te Chantal. „Hör uns nur zu und lass uns bitte erklären!

Ich knall dich ab!“, rief Mary wütend Ke­vin zu. „Du hast meinen geliebten Adolf um­gebracht! Jetzt bist du dran!“

Er war es nicht“, sagte Müller. „Wir ha­ben alles überprüft. Der Junge war zur Tatzeit gar nicht in der Stadt. Er hat ein Alibi, aber wir haben inzwischen eine andere Person ermittelt, die dringend tatverdächtig ist. Leg die Waffe runter!“

Das was er geschrieben hat!“, rief Mary unter Tränen. „Dafür muss der Typ schon ster­ben! Vielleicht war er es doch, er wollte mei­nen Adi ermorden! Ich knall ihn ab und dann mich selbst!“

Wir verstehen deine Wut und deine Trau­er“, sagte Chantal. „Aber ich kann dir versi­chern, dass Kevin nicht der Täter war. Ich ver­spreche dir, wenn du die Waffe niederlegst, dass wir in Ruhe alles erklären können. Wir werden den wahren Mörder noch heute fest­nehmen.“

Sei vernünftig, Mary“, sagte Müller und ging langsam mit ausgestreckter Hand auf die Schülerin zu. Schließlich ließ das Mädchen die Pistole sinken und der Kommissar konnte ihr die Waffe abnehmen. Mary brach unter Tränen zusammen, während Chantal sie in die Arme schloss. Kevin setzte sich hin, schloss die Au­gen und atmete ein paar mal kräftig durch, als ihm bewusst wurde, dass er dem Tod gerade noch einmal von der Schippe gesprungen war.

 

Müller und Chantal suchten gegen Abend das biedere Einzelhaus der Familie Boxbeiß auf, um Frau Boxbeiß dort im Lichte der neusten Erkennt­nisse zu vernehmen. Später wollten sie auch ihre Kinder bei den Großeltern befragen.

Ja, es stimmt“, sagte Sieglinde Boxbeiß unter Tränen und bestätigte die Aussage von Cindy Feige. „Ich habe schon lange so etwas geahnt, aber es einfach nicht glauben wollen. Aber mit dem Lie­besbrief von dieser Mary und nach den Erzählun­gen von Frau Feige konnte ich die Augen nicht mehr länger vor der Wahrheit verschließen. Ich wollte Gewiss­heit haben und bin deshalb gegen 21 Uhr zur Schu­le hinüber gefahren. Im Lehrerzimmer habe ich mich in einer Ecke hin­ter einem lan­gen Vorhang versteckt und meinen Mann mit dieser Schülerin heim­lich beobachtet. Er hat ihr so einen Unsinn er­zählt und dann hat er dieses kleine Flittchen auch noch ge­küsst, so wie er mich schon seit vielen Jah­ren nicht mehr geküsst hat! Als das kleine Luder dann weggegangen war, wollte ich Adolf zur Rede stellen. Er war so ko­misch, wie angetrun­ken oder völlig ver­schlafen, und es kam kein rich­tiges Ge­spräch zu­stande. Ich habe ihn ange­schrien, dass ich ihn verlassen werde und dass ich al­les öffent­lich mache! Das Haus, die Kin­der und seine Stel­lung hätte er sich dann ab­schminken kön­nen! Aber er ist gar nicht rich­tig auf mich ein­gegangen, hat nur ge­murmelt, dass alles gut wird und wir das Pro­blem schon meistern wer­den als Familie. Da war es mir zu blöd und ich bin wieder nach Hause ge­fahren.“

Warum haben sie uns das bei der letzten Befragung verschwiegen und die Unwahrheit gesagt?“, fragte Chantal.

Ich wollte mich doch nicht verdächtig machen“, sagte Frau Boxbeiß. „Und dass alles an die Öffentlichkeit kommt, mit den Schüle­rinnen und so, dass wollte ich auch nicht wirk­lich. Jedenfalls nicht, nachdem Adolf tot war, schon um mich und die Kinder zu schützen. Es tut mir Leid, das ist alles zu viel für mich!“

Wenn ihr Mann noch am Leben war“, über­legte Müller, „nachdem Mary Schönbrunn und kurz darauf auch sie ihn ver­lassen haben, wer könnte ihn dann ermordet haben? Denn kurz dar­auf wurde er im Lehrerzimmer getötet. Die Be­nommenheit ihres Mannes, die sie be­schreiben, deutet auf ein Schlafmittel hin, das in seinem Körper festgestellt wurde. Aber was den Täter betrifft, tappen wir weiter im Dun­keln.“

Ist ihnen noch irgendetwas in der Schule auf­gefallen?“, fragte Chantal. „Haben sie noch jeman­den im Gebäude gese­hen oder auf dem Schulhof, auf dem Parkplatz oder in unmittel­barer Nähe des Schulgeländes?“

Nein, niemanden“, überlegte Frau Box­beiß. „Oder, ach doch, jetzt fällt mir etwas ein. Nachdem ich Adolf angeschrien habe und hin­ausgelaufen bin, habe ich im Gang vor dem Schulbüro jemanden gesehen.“

Und wer war das?“, fragte Müller.

Ach, das war nur die alte Frau Pütz“, sag­te sie. „Wissen sie, die nette Frau von dem al­ten Hausmeister, die in der Schule putzt und in der Pause am Kiosk verkauft und so. Die hat uns doch immer, wenn ich Adolf früher bei der Arbeit besucht habe, so lieb Tee und Kuchen gebracht.“

Und was hat sie gerade dort gemacht, als sie hinausgegangen sind?“, fragte Müller. „Versuchen sie bitte, sich genau zu erinnern. Jede Einzelheit könnte wichtig sein.“

Ich weiß nicht mehr“, sagte Frau Box­beiß. „Ich war so aufgeregt und so wütend auf meinen Mann, dass ich nicht besonders auf Frau Pütz geachtet habe. Aber wenn ich jetzt so darüber nachdenke, die hat wohl gerade die Pokale in der Vitrine geputzt.“

Müller und Chantal sahen sich vielsagend an, als das Smartphone des Kommissars klin­gelte und die Ermittler eine neue dringende Nachricht erhielten.

 

Sie entschuldigten sich bei Frau Boxbeiß, lie­fen zu ihrem Dienstwagen und fuhren blitz­schnell los. In ein paar Minuten waren sie wie­der am Gymnasi­um. Einige uniformierte Kol­legen führten sie so­gleich zu einer kleinen Ab­stellkammer hinter der Wohnung des Haus­meisterehepaars. Dort hingen an einer Lampe mit Schlingen aus dicken Stricken um die Hälse der Hausmeister Hermann Pütz und sei­ne Ehefrau Ingrid. Auf dem Boden lagen die Überreste eines zertrümmerten Smartphones und in der Nähe auf einem kleinen Holztisch lag ein in zittriger schwarzer Handschrift ver­fasster Brief. Die Ermittler lasen:

 

Liebe Nachwelt,

wir haben uns selbst gerichtet. Meine Frau konnte nicht mehr ertragen, wie Direktor Boxbeiß mich ständig tyrannisiert und mir zuletzt sogar mit der Entlassung gedroht hat. Außerdem mussten wir über viele Jahre mit ansehen, wie der entartete Schmutzfink es bei jeder Gelegenheit mit den jun­gen Schülerinnen und sogar mit kleinen Schülern getrieben hat! In seinem Büro, in den Klassenräu­men, in der Besenkammer, auf den Toiletten und überall in der Schule hat dieses ekelhafte Dreck­schwein sein widernatürliches Unwesen getrieben! Eines Abends hat meine Frau ihm dann eine große Ladung Schlafmittel in den Tee gemischt. Als er länger da war, um auf ein Stelldichein mit einem Mädchen zu warten, hat sie ihm eine ganze Kanne von dem Tee serviert, die er nach und nach ausge­trunken hat. Mir hat sie eine kleine harmlose Do­sis Schlafmittel verabreicht und der langweilige Fernsehkrimi hat sein Übriges getan, um mich in sanfte Träume zu wiegen. Nachdem die Schülerin wieder weg war, hat Boxbeiß aber immer noch ge­standen. Er war nur etwas benebelt, als Ingrid be­obachtete, wie plötzlich seine Frau im Lehrerzim­mer auftauchte. Sie hatte ihn mit dem Mädchen be­obachtet und es gab einen lauten Streit, doch dann ist seine Frau auch wieder verschwunden. Da wollte meine Frau nicht mehr länger warten. Das Schlafmittel hatte den Direktor immerhin schon so­weit betäubt, dass sie ihn leicht überwältigen konnte. Mit mehreren Schlägen mit einem Fußball­pokal aus der Vitrine hat sie ihm den Garaus ge­macht! Sie hat dem Dreckschwein den Schädel ein­geschlagen! Immer feste druff, bis Boxbeiß tot war! Den verbeulten und mit Blut beschmierten Pokal hat sie danach gründlich gesäubert und ent­sorgt. Am nächsten Morgen habe ich die Leiche gefunden und erst später hat Ingrid mir ihre Schre­ckenstat gestanden. Wir wissen jetzt, dass es falsch war, aber der Hass auf die Dreckschabe war ein­fach zu groß! Jetzt haben wir gehört, dass andere unschuldig verdächtigt werden, sogar dieses Mäd­chen und seine Ehefrau, die der Unhold doch bei­de nur schamlos ausgenutzt und betrogen hat. Wir wollen dem ein Ende bereiten. Unser Leben hätte keinen Sinn mehr, wenn Ingrid in diesem Alter ins Gefängnis müsste und wir getrennt wären. Deshalb haben wir uns selbst gerichtet und wenn das Schlafmittel auch bei uns nicht ausreicht, dann soll der gute alte Strick seinen treuen Dienst tun. Wir lieben uns seit über fünfzig Jahren und gehen jetzt gemeinsam in eine bessere Welt!

gez. Hermann und Ingrid Pütz

 

Wer hätte das gedacht“, sagte Müller schwer­mütig. „Jetzt braucht die Schule einen neuen Schullei­ter und einen neuen Hausmeis­ter. Und nicht zuletzt eine neue Hausmeister­gattin, die einen so hervorra­genden Tee ser­viert.“

Und die Kinder Boxbeiß haben zwar kei­nen Vater mehr, aber ihnen bleibt wenigstens ihre Mut­ter“, sagte Chantal. „Jedenfalls wenn die Erklärung des Ehepaars Pütz der Wahrheit entspricht.“

Ich glaube, so ist es“, sagte Müller. „Nachdem Mary und Frau Boxbeiß die Schule verlassen hat­ten und während Herr Pütz vor dem Fernseher ge­schlafen hat, hatte Frau Pütz genügend Zeit, den Mord zu begehen, genauso wie in dem Abschieds­brief beschrieben.“

Sie war also die Täterin“, sagte Chantal. „Warum habe ich aber das Gefühl, dass diese alten Leute auch Opfer waren?“

Das waren sie“, sagte Müller. „Sie waren Opfer moderner Zeiten. – Dieser Fall ist abge­schlossen.“

 

 

 

Ende

 

 

 

 

 

 

 

Tod im Lehrerzimmer

 

 

Der Schulleiter Adolf Boxbeiß wird ermordet im Lehrerzimmer des Gymnasiums aufgefunden. Die Kommissare Thomas Müller und Chantal Potter ermitteln daraufhin im Umfeld der Schule. Es stellt sich bald heraus, dass der Schuldirektor und Familienvater Boxbeiß viele Feinde hatte und obendrein eine junge Schülerin als heimliche Geliebte. Mül­ler und Chantal müssen eine Reihe von Verdächtigen befragen, um mit ihrem Ermittlungsteam den komplexen Mordfall um den Tod im Lehrer­zimmer aufzuklären. Eine äußerst spannende und geistreiche Kriminal­geschichte!

 

 

 


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