Die Zauberer von Atlantis
Drittes Buch:
Die Wunder der alten Magie
20. Kapitel: Durch den Schnee
Die Sonne verlor immer mehr an Kraft. Pandorax zeigte den Gefährten mit astronomischen Gerätschaften und Sternenkarten, dass sie kaum noch stark genug war, die Erde in ihrer Umlaufbahn zu halten. Da also die Strahlkraft der Sonne immer geringer wurde und zugleich die Erde auf ihrer Bahn einen immer größeren Bogen schlug und sich somit ständig weiter vom Zentralgestirn entfernte, war der Todeswinter der Welt angebrochen. Während ihrer Gefangenschaft unter den seltsamen Bedingungen im Wüsten Land hatten die Gefährten es nicht bemerkt, doch nach ihrer Flucht durch den magischen Tunnel erkannten sie, dass es in Atlantis von Tag zu Tag viel kälter und dunkler wurde. Eisige Schneestürme fegten über das Land dahin, innerhalb kurzer Zeit lag plötzlich Meter hoher fester Schnee und alle Gewässer waren in klirrender Kälte zugefroren. Viel Zeit zum Beklagen dieser Lage blieb den Gefährten jedoch nicht, denn schon kurz nach ihrer Ankunft näherten sich die Schergen Alazars dem Anwesen des Pandorax. „Es sind nur einige Späher“, bemerkte der Schwarzmagier. „Die Truppen Alazars durchstreifen das gesamte Reich, um noch den letzten Menschen in irgendeinem Winkel von Atlantis zu töten oder zu unterjochen und für die Pläne dieses Widerlings einzuspannen.“ „Mit diesen Spähern sollten wir doch leicht fertig werden“, sagte Felarion. „Das werden wir“, sagte Pandorax. „Es ist aber auch ein Schwarzmagier dabei. Dieser Ort ist deshalb nicht mehr geheim. Alazar weiß, dass wir hier sind, und kann bald schwerere Geschütze auffahren.“ „Wenn der Schutzzauber nicht mehr wirkt“, sagte Zayandra, „dann sollten wir schnell von hier verschwinden.“ „Ja“, bestätigte Pandorax. „Wir machen diesen feindlichen Spähtrupp nieder und dann müssen wir mein geliebtes Heim wohl oder übel verlassen.“
Es waren ein Schwarzmagier und fünfzig Krieger des Wilden Volkes, vor allem blutrünstige Wölfe und Bären. Im Morgengrauen stapften sie durch den tiefen Schnee und wollten das Anwesen stürmen. Pandorax und der Dämon Ulangarth traten heraus und stellten sich den Feinden entgegen. „Unterwerft euch dem allmächtigen Meister Alazar!“, rief der feindliche Magier. „Sonst seid ihr des Todes!“ „Schäbiger Handlanger!“, rief Pandorax. „Ungeziefer wie euch zertreten wir vor dem Frühstück. Und das gleiche werden wir mit eurem abscheulichen Führer machen!“ Der andere Schwarzmagier sandte einen knisternden roten Blitzstrahl aus, doch Pandorax wehrte ihn beiläufig mit einem magischen Schutzschild ab und sammelte seine Kräfte zum Gegenschlag. Er sandte lebende schwarze Flammenzungen aus, die das Energiefeld des Feindes durchbrachen und ihn verbrannten. Ulangarth wehrte inzwischen die heranstürmenden wilden Krieger ab, die sich auf die beiden Gefährten stürzen wollten, und vernichtete dabei mehrere mit seinen fliegenden Krallen. Blut und Gedärme der Geschlachteten ergossen sich über den weißen Schnee. Als der feindliche Schwarzmagier gefallen und sein Leib zu Nichts zerstäubt war, konnte Pandorax sich ebenfalls in Ruhe dem Wilden Volk widmen. Mit einem schwarzmagischen Feuerzauber mähte er die übrigen hybriden Wolfs- und Bärenmänner erbarmungslos nieder, bis alle tot waren.
Am nächsten Tag verließen die Gefährten das Anwesen des Pandorax. Der Schwarzmagier hatte seine wichtigsten Bücher und magischen Artefakte in Taschen und Kisten verstaut, die zwei großen grauen Pferden aufgeladen wurden. Außerdem hatte er kräftige Reitpferde beschafft, sodass die Leute nicht selbst durch den fast undurchdringlichen tiefen Schnee marschieren mussten, sondern in dicke Kapuzenumhänge gehüllt reiten konnten. Als sie etwa hundert Meter von dem alten steinernen Gebäude entfernt waren, blieben die Reiter stehen und blickten zurück, denn Pandorax hatte Sprengladungen in den Kellern und den Gemäuern angebracht, die jetzt ihre zerstörerische Wirkung zeigten. In mächtigen Explosionen ging alles in schwarzen und roten Flammen auf und der Gebäudekomplex, dem Jahrhunderte lang kaum eine Armee oder ein Magier etwas hätte anhaben können, wurde in einem gewaltigen Feuersturm vernichtet. Man wollte Alazar möglichst wenig Spuren und Hinweise zurücklassen und vor allem sollte er nicht in den Besitz der wertvollen magischen Gegenstände und Aufzeichnungen kommen, die Pandorax nicht alle auf die Reise mitnehmen konnte. Von seinem stolzen Anwesen sollte nur verbrannte Erde zurückbleiben, die bald ebenfalls von hohem Schnee überdeckt und für immer der Vergessenheit anheim gegeben wurde.
Drei Tage lang ritten die Gefährten nach Nordwesten und stemmten sich gegen die dichten Schneewehen, ohne dass sie genau wussten, was eigentlich ihr Ziel war und wie ihre nächsten verzweifelten Schritte im Kampf gegen die Schreckensherrschaft Alazars aussehen konnten. Dann erblickten sie eines Nachmittags hinter einer Hügelkette eine kleine Ansiedlung von schneebedeckten Zelten. „Wenn das wieder Handlanger von Alazar sind“, sagte Felarion, „steht wohl ein weiteres Schlachtfest bevor.“ „Die sehen nicht wie seine Truppen aus“, entgegnete Zayandra. „Vielleicht sind das Atlantier, die vor den Unwesen geflohen sind und sich hier verstecken.“ „He da! Wen treffen wir hier an?“, rief Pandorax, als sie nahe genug an den Zelten waren. Das größte der Zelte öffnete sich und ein kräftiger Mann mit braunem Bart und einem Breitschwert in den Händen trat heraus. Ihm folgten drei jüngere, entschlossen dreinblickende Männer mit Schwertern, darunter ein hochgewachsener schlanker Kämpfer mit dunklem Spitzbart. „Ich bin Kommandant Ascolan!“, rief der ältere Mann mit tiefer Stimme und finsterem Blick. „Wir sind Rebellen und kämpfen für Atlantis! Wenn ihr dem dunklen Herrscher dient, findet ihr hier den Tod!“ Daraufhin kamen weitere Kämpfer aus den Zelten, kreisten die Ankömmlinge ein und bedrohten sie mit Armbrüsten, Pfeil und Bogen und Lanzen. „Ihr schwingt große Worte!“, rief Pandorax. „Aber es besteht kein Grund zur Sorge, denn wir sind auf eurer Seite!“ Die Gefährten nahmen ihre Kapuzen ab und während der Anblick des Dämons Ulangarth für deutliches Unbehagen unter den Rebellen sorgte, freute sich Adebar über ein unverhofftes Wiedersehen mit seinem Vater und seinem großen Bruder. Kommandant Ascolan und Adama erkannten nun ebenfalls Adebar sowie den alten Magier Tyrbalt und kaum waren diese von ihren Pferden gestiegen, da kamen auch schon die Mutter Adele und die kleine Schwester Alena angelaufen, um den geliebten Ankömmling in die Arme zu schließen.
21. Kapitel: Königlicher Rat
„Der allmächtige Meister will, dass wir die Rebellen mit einen Todesschlag auslöschen“, sagte Andron im Königlichen Rat. „Niemand darf in Atlantis leben, der seine absolute Herrschaft anzweifelt. Wer Alazar nicht bedingungslos folgt, wird sofort vernichtet!“ „Um wie viele Rebellen handelt es sich denn, Eurer Einschätzung nach?“, fragte Kadrox. „Es sollen nur etwa dreihundert Aufständische sein“, sagte Andron. „Wir werden sie so schnell wie möglich ausmerzen! Sabalan, was habt Ihr über die schäbigen Verräter und Eure Bemühungen zu berichten?“ „Sie verstecken sich in den nördlichen Wäldern“, erklärte General Sabalan. „Dort locken sie unsere Truppen immer wieder in Hinterhalte. Wir haben bereits über tausend Soldaten verloren. Aber in einigen Tagen werden wir sie mit einer größeren Streitmacht erreichen und die Wälder großflächig niederbrennen. Die Rebellen werden ausgeräuchert und vernichtend geschlagen.“ „Gut so“, sagte Andron. „Wir brauchen unsere Truppen, um nach Süden gegen alle anderen Länder zu ziehen. Aber auch dieses Rebellenungeziefer im Reich wird bis auf den letzten Mann abgeschlachtet! Es kann unseren Weg zur Weltherrschaft nicht aufhalten! General Sabalan, Ihr erstattet mir persönlich Bericht, wenn alle Rebellen vernichtet sind. Und ich hoffe für Euch, das dies sehr bald der Fall sein wird!“ „Jawohl, Meister Andron!“, rief Sabalan. „Wie gehen die Arbeiten an dem Sternenschiff voran?“, fragte Andron an Vertigor gewandt. „Es ist so gut wie vollendet“, berichtete der Oberste Baumeister. „Dank der Kenntnisse und der Hilfe Eurer Magier, konnten wir viele Schwierigkeiten leicht überwinden. Im Prinzip könnte es in wenigen Wochen starten. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass wir nicht so etwas wie einen Probelauf durchführen können, bei dem wir starten und wieder landen würden. Die Trägerraketen und die Energien für den Start in den Weltraum sind in ihrer besonderen Beschaffenheit nur einmal vorhanden. Ich versichere Euch jedoch, dass alles bestens voran geht.“ „Das erwarte ich auch“, sagte Andron. „Der allmächtige Meister Alazar benötigt zwar solch ein Hilfsmittel nicht, wenn er seine Macht entfaltet und das ganze Multiversum beherrscht. Aber wer weiß, wofür Eure Arbeit uns vielleicht noch von Nutzen sein kann? Also weiter mit aller Kraft voran! Arbeitssklaven, die Ihr ohne Rücksicht auf Verluste verheizen könnt, habt Ihr schließlich mehr als genug für die Bauarbeiten!“ „Jawohl, Meister Andron!“, bestätigte Vertigor, als auch dieses Thema für heute abgehandelt war. „Und nun zu Euch Kadrox“, sagte Andron. „Der allmächtige Meister Alazar hat entschieden, dass Ihr künftig die Verwaltung des Reiches und die Geschäfte des Königlichen Rats in seinem Namen führen dürft. Wenn es dessen bedarf, werde ich als Stadthalter Euren Bericht einholen und Euch besondere Anweisungen erteilen. Ansonsten habe ich wichtigeres für den allmächtigen Meister zu tun, als die alltäglichen Belange der Hofbeamten persönlich zu überwachen. Da Ihr Euch in den vergangenen Monaten als treuer und fleißiger Gefolgsmann erwiesen habt, fällt Euch diese Aufgabe als Hofmarschall zu. Entsprechende offizielle Vollmachten, meine Gemahlin Königin Sydyana und mich zu vertreten, sind Euch hiermit erteilt.“ Kadrox warf sich ehrerbietig vor Andron auf den Boden und küsste seine Füße. Dann kniete der Höfling sich hin und küsste seinen schwarzen Dolch, den er einst vor der Machtergreifung Alazars heimlich vom Dämon Argrath erhalten hatte und den er nun offen und voller Stolz über den Gewändern an seinem Gürtel trug. „Ich kann Euch nicht genug danken“, sagte der Hofmarschall. „Ich werde Euch, mein Stadthalter, und dem allmächtigen Meister ewig und mit allen meinen Kräften dienen!“ „So sei es!“, sagte Andron und schloss die Sitzung. Die Königin und alle anderen Ratsmitglieder erhoben sich und begaben sich in ihre Gemächer oder andere Räumlichkeiten, um ihren weiteren Aufgaben und Pflichten nachzugehen. Andron, Sydyana, Oborion und die Schwarzmagier, oder gar der allmächtige Meister Alazar selbst, erschienen danach nur noch sehr selten im Königlichen Rat und zu besonderen Anlässen in der Öffentlichkeit. Die bürokratische Verwaltung der Schreckensherrschaft war zur Routine der Beamten geworden und bei Hofmarschall Kadrox in treuen Händen. Eine seiner ersten Amtshandlungen mit den Vollmachten Alazars bestand darin, mehrere Dutzend von Höflingen zu beseitigen, die er früher als unliebsame Konkurrenten betrachtet hatte oder die ihm nicht stets in blindem Gehorsam gefolgt waren. Er entledigte sich ihrer, indem er ihr Todesurteil aussprach und sie mitsamt ihren Frauen und Kindern in eine Kammer führen ließ. Dort schnitt er ihnen allen der Reihe nach mit seinem schwarzen Dolch die Kehlen durch. Er bemerkte voller Freude, dass mit jedem Tropfen Blut, den er in diesem dunklen Ritual vergoss, dämonischen Kräfte in ihm wuchsen.
22. Kapitel: In den Wäldern
Die Rebellen unter Kommandant Ascolan hatten sich in die großen nördlichen Wälder von Atlantis zurückgezogen, in denen man ihnen unter gewöhnlichen Bedingungen kaum etwas anhaben konnte. Feindliche Soldaten fanden sich in den Schneemassen im Unterholz und zwischen den Bäumen der nordischen Wildnis ohnehin kaum zurecht. Außerdem verstand es die Waldzauberin Zayandra, die Lebewesen des Waldes gegen die Angreifer einzusetzen, sodass sie sich gegen wilde Tiere und uralte mystische Waldgeister zu erwehren hatten, die sich auf sie stürzten, um sie zu töten. Denn auch die mystischen Wesen, die sich sonst aus den nichtigen Angelegenheiten der Menschen heraus hielten, spürten genau, dass ihr Lebensraum von den Kräften des Bösen wie nie zuvor in seiner Existenz bedroht wurde. Oftmals verirrten die Suchtrupps sich und erfroren oder verhungerten im kalten tiefen Wald. Die ortskundigen Rebellen konnten ihre Feinde leicht aufspüren, in einen Hinterhalt locken und dann niedermachen, um ihre Ausrüstung zu erbeuten. Die Rebellen wussten allerdings auch, dass Alazar nach ersten Rückschlägen seiner Armee im Norden bald ungleich mächtigere Truppen mit Schwarzmagiern und grausigen Unwesen aussenden würde. Die Rebellen hatten keine Aussicht, gegen diese Bedrohungen lange zu bestehen.
„Wir müssen den Feind im Herzen von Atlantis treffen“, sagte Pandorax bei einer Lagebesprechung der Rebellenführer. „In den Wäldern sind wir Alazars Unwesen auf lange Sicht wehrlos ausgeliefert. Irgendwann werden uns Abertausende von Monstern überrennen. Ich werde deshalb einen magischen Tunnel in den Palast von Atlantium erschaffen. Unsere besten Kämpfer können hindurch schreiten und den Feind angreifen.“ „Das ist viel zu gefährlich“, sagte Ascolan. „Wenn wir hier nicht mehr bestehen können, wie sollte dann ein kleiner Trupp mitten unter den Feinden in der Hauptstadt etwas ausrichten?“ „Gefährlich ist es“, bestätigte der Schwarzmagier. „Aber eine Chance, etwas auszurichten, besteht.“ „Mit dem Dämonenauge in der Hand von Alazar“, sagte Tyrbalt, „sind wir und die ganze Welt verloren. Deshalb bin ich bereit, dieses Vorhaben zu wagen.“ „Nun“, sagte Ascolan schwermütig, „die Sonne und die Erde sind ohnehin ihrem Untergang geweiht. Uns bleibt nichts mehr, als bis zum bitteren Ende weiter zu kämpfen. Letztlich ist es wohl gleichgültig, ob wir früher oder später, hier oder in Atlantium sterben, durch Alazar oder durch den Tod der Sonne.“ „Dann schicke deine besten Krieger mit“, verlangte Pandorax. „Wir haben im Wüsten Land bereits etwas Erfahrung mit den widerlichsten Schergen Alazars gesammelt. Nur wenn wir ihn selbst angreifen, besteht die Aussicht, ihn zu vernichten und Atlantis zu befreien. Ich will dem Unhold den Todesstoß versetzen! Aber außer meinen Gefährten brauche ich die Unterstützung weiterer Kämpfer, um die Feinde abzulenken und eine Zeit lang in Schach zu halten. Dann finde ich auch eine Möglichkeit, Alazar unschädlich zu machen!“ „Dann stellt eine Truppe Freiwilliger zusammen“, sagte Ascolan. „Ich befürchte jedoch, dass ihr scheitert und euch einem grausamen Tod durch Alazar und die Dämonen ausliefert.“ „Ich bin dabei!“, rief Adama. „Ich habe einen Bruder verloren, an das schäbige Wilde Volk, das jetzt Alazar dient. Wenn wir bei dem Versuch, ihn zu schlagen, wenigstens möglichst viele der Feinde in die ewig schwarze Nacht des Totenreichs mitnehmen, handeln wir zur Ehre von Atlantis!“ „Dann gehen wir das Wagnis ein, solange noch eine letzte Hoffnung besteht“, sagte Tyrbalt.
Kommandant Ascolan wollte bei dem Großteil seiner Rebellen im nördlichen Wald bleiben und somit musste Adebar sich schon bald nach ihrem Wiedersehen erneut von seinen Eltern und seiner Schwester verabschieden, als man sich auf einer schneebedeckten Lichtung für die Reise durch den magischen Tunnel bereit machte. „Wird es dabei wieder eine Zeitverschiebung geben?“, fragte er Pandorax. „Ja“, sagte der Schwarzmagier. „Sie wird drei Tage betragen. Diesmal hatte ich genug Zeit, den Übergang in Ruhe vorzubereiten. In den Verliesen der schwarzen Festung musste es schnell gehen und die Bedingungen im Wüsten Land wirkten sich zudem auf den Zauber aus, deshalb kam es spontan zu unserem etwas längeren Zeitsprung von drei Monaten in die Zukunft. Bewusst eine längere Zeitversetzung herbeizuführen, sei es in die Vergangenheit oder Zukunft, ist hingegen äußerst schwierig und gefährlich. Bereits ein gewöhnlicher magischer Tunnel ist nicht ganz ungefährlich und erfordert einen enormen Aufwand an magischer Energie. Deshalb ist die Zeitversetzung dabei möglichst klein zu halten, um größere Gefahr zu vermeiden. Wir werden also, wenn wir gleich durch den magischen Tunnel treten, drei Tage später im Palast von Atlantium erscheinen.“ Pandorax erhob die Hände und wirkte den Zauber, der den magischen Tunnel öffnete. Den Gefährten hatten sich Adama und dreißig weitere Krieger der Rebellen angeschlossen. Als der Durchgang groß genug war, traten sie nach und nach hindurch. Dabei zögerten viele der Männer zunächst bei dem Gedanken, sich der unbekannten Schwarzen Magie auszuliefern, doch schließlich bewegten sich alle Freiwilligen in die silbern und violett glitzernden Zauberwirbel und verschwanden von der Lichtung. Unmittelbar nachdem Pandorax als letztes hindurch geschritten war und der magische Tunnel sich wieder zu schließen begann, löste sich plötzlich die junge Alena aus der großen Gruppe der umstehenden Zuschauer und lief auf die kleiner werdende Öffnung zu. „Verzeiht mir!“, rief das blonde Mädchen noch, als es ein letztes Mal zu seinen schockierten Eltern zurückblickte. „Ich muss mit meinen Brüdern gehen und ihnen helfen!“ Dann sprang sie durch den dünnen Spalt und war gleichzeitig mit den letzten Zauberwirbeln verschwunden. „Jetzt haben wir alle unsere Kinder verloren!“, rief die Mutter entsetzt und warf sich weinend in die Arme des Vaters. „Wer weiß“, sagte Kommandant Ascolan traurig und blickte finster in den dunklen und eiskalten Wald. „Vielleicht ergeht es ihnen besser als uns.“
Am nächsten Tag stürmte eine Armee von dreitausend Unwesen die nördlichen Wälder. Mächtige Schwarzmagier hatten die Verstecke der Rebellen aufgespürt und den Wald mit Feuerzauber angezündet, sodass die flüchtigen Menschen bald von allen Seiten von gewaltigen Brandherden eingeschlossen wurden, die sich in immer engeren Feuerkreisen um sie zusammen zogen. Als die Standorte der Rebellen abgebrannt und viele Kämpfer in den Flammen qualvoll umgekommen waren, trieben die Unwesen die überlebenden Menschen auf einem Platz zusammen, um über sie herzufallen. Kommandant Ascolan wollte seine Frau und seine letzten Krieger verteidigen und tötete mit seinem Breitschwert wie ein Berserker noch über zwanzig Fuchs- und Wolfsmänner. Aber dann musste er hilflos mit ansehen, wie ein riesiges schwarzes Bärenunwesen ihm Adele entriss und sie mit seinen Tatzen in der Luft zerriss. Sogleich schlug der Bär seine Zähne blutrünstig in den Schädel und in die zerfetzten Glieder, um seine Beute zu fressen. Ascolan wurde von mehreren Unwesen von allen Seiten gleichzeitig angefallen. Irgendwann blutete er aus unzähligen Wunden und konnte die wilde Übermacht nicht mehr abwehren. Ein Wolf biss ihm die Kehle durch und er wurde bestialisch zerfleischt. Die Schwarzmagier des Alazar schwebten über den verkohlten und blutigen Massen der verbrannten und abgeschlachteten Menschen. Sie konnten General Sabalan und ihrem allmächtigen Meister zufrieden melden, dass die Aufständischen restlos vernichtet waren.
23. Kapitel: Der Meister naht
Der Schwarzmagier Alazar betrachtete das Dämonenauge. Es war ein runder dunkler Stein, etwa so groß wie eine Faust. Trotzt seiner seltsamen glatten Oberfläche, wirkte es eigentlich recht unscheinbar, wenn man nicht wusste, dass es unvorstellbare schwarzmagische Kräfte in sich barg. Alazar wusste jedoch ganz genau, dass diese magische Waffe viele Millionen von Jahren alt war und die Energien von unzähligen zerstörten Galaxien in sich trug. Jeder Magier konnte es spüren, dass die böse Urkraft des Multiversums nirgends stärker gebündelt war als in diesem uralten Stein. Alazar wusste auch, dass mit dem Ende der dunkelroten Sonne und mit der Zerstörung dieses Sonnensystems und dieser Galaxie die unendliche Herrschaft des absoluten Bösen anbrach. Und er, in dessen Hand diese magische Waffe lag und der ihre dunkle Energie für immer entfesselte, sollte dann ewiglich herrschen und das ganze Multiversum in Dunkelheit und Verderben stürzen. Alazar war längst kein Mensch mehr und auch mit keinem anderen Schwarzmagier der sterbenden Erde zu vergleichen. Er war viel mächtiger als alle Magier und alle Dämonen des Multiversums zusammen, wenn er über das finstere Dämonenauge verfügte. Er war bereits ein reines Gefäß der bösen Urkraft, wie das Dämonenauge selbst, und der nahende Tod der blutroten Sonne würde ihn endgültig zum unsterblichen und allmächtigen Vollstrecker der bösen Urkraft machen, zu einer ewigen dunklen Gottheit. Das Dämonenauge leuchtete in seiner Hand auf und wurde von knisternden Zauberblitzen umfangen. Alazar spürte, wie die Energien dieser sterbenden Galaxie in das magische Artefakt hinein flossen und seine dunklen Kräfte immer weiter steigerten. Der Schwarzmagier triumphierte, denn er wusste, dass er bald am Ziel seiner Jahrhunderte langen magischen Studien, all seiner grausamen Kämpfe und all seiner finsteren Bestrebungen war: Unendliche Macht!
Der magische Tunnel öffnete sich irgendwo in den leeren Tiefen der Palastgänge. Die Rebellen traten heraus und stellten fest, dass sie noch nicht von den Feinden bemerkt worden waren. Die Magier Pandorax und Tyrbalt webten sogleich einen mächtigen Schutzzauber vor unerwünschter Entdeckung um alle Kämpfer. Da der alte Zauberer Tyrbalt das Palastlabyrinth am besten kannte, führte er die Gefährten in einen Bereich, den vermutlich seit vielen Jahren niemand betreten hatte. Hier konnten die Rebellen zunächst unbemerkt ausharren, ein kleines Lager errichten und ihr weiteres Vorgehen planen. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Felarion. „Es war doch wohl nicht unser Plan, dass wir uns hier in diesen alten Gängen vor Alazar verstecken und früher oder später verhungern.“ „Keineswegs“, sagte Pandorax. „Allerdings sollten wir das Labyrinth nutzen, um die beste Möglichkeit zum Angriff zu ersinnen. Von hier aus können wir die Lage erkunden.“ „Ich denke“, sagte Zayandra spöttisch, „unser großer Anführer benötigt gar keinen Plan. Er kann sich auf sein Genie verlassen und uns dabei im Zweifelsfall alle gnadenlos verheizen. Sollten wir wider Erwarten scheitern, wird er einfach fliehen und sich nicht mehr um uns oder um Atlantis scheren!“ „Nur gemeinsam haben wir eine Aussicht auf Erfolg“, betonte Pandorax. „Lasst uns also in Ruhe einen Plan fassen, der die Rebellion zum Sieg führt.“ „Wenn uns nicht vorher Alazar oder seine Schergen hier aufspüren“, sagte Felarion. „Ich kann euch den Weg zum Zentralbereich des Palastes weisen“, sagte Tyrbalt. „Dort dürfte sich Alazar mit seinen mächtigsten Handlangern aufhalten.“ „Ja“, sagte Pandorax. „Ich spüre ganz deutlich seine abscheuliche Präsenz in der Nähe. Aber er scheint uns dank des Schutzzaubers seinerseits noch nicht bemerkt zu haben. Vermutlich ist er völlig vom Dämonenauge besessen, sodass er in seinem Machtwahn keine besondere Aufmerksamkeit an kleine Störenfriede wie uns verschwendet. Diese Schwäche müssen wir ausnutzen, um ihn zu überraschen und ihm, wenn irgend möglich, den Todesstoß zu versetzen!“ „Wir müssen jedoch schnell handeln“, sagte Tyrbalt. „Lage wird Alazar unsere Anwesenheit im Palast nicht mehr verborgen bleiben. Und wenn er uns bemerkt, ist es mit dem Überraschungsmoment vorbei und er wird keinen aussichtsreichen Angriff zulassen.“ „Dann sammelt eure Kräfte“, sagte Pandorax, insbesondere an die magisch begabten unter den Gefährten gewandt. Einige Zeit später brachen die Rebellen unter Führung von Pandorax und Tyrbalt auf. Sie wanderten durch die verzweigten Gänge des Palastlabyrinths und näherten sich vorsichtig den zentralen Bereichen der Herrschaftsgemächer und Regierungssäle. Die Brüder Adebar und Adama bildeten die Nachhut. Sie mussten ihre kleine Schwester beschützen, deren Anwesenheit sie nach der Reise durch den magischen Tunnel bestürzt zur Kenntnis genommen hatten. Alena würde bei den bevorstehenden Gefahren eine zusätzliche Belastung darstellen. Sie konnten das Mädchen aber auch nicht allein oder unter Bewachung im Versteck zurücklassen, denn niemand wusste, ob später noch Gelegenheit bestand, es dort wieder abzuholen, oder wann die grausigen Handlanger des Alazar es aufspüren mochten. Am sichersten war es, wenn alle unter dem Schutzzauber zusammen blieben. Außerdem weigerte Alena sich, vom Kampf gegen die Feinde ausgeschlossen zu werden, und wollte ihren Brüdern tapfer beistehen. Tyrbalt führte die Rebellen auf dem sichersten Weg in unmittelbare Nähe des Thronsaales und der Schutzzauber der Magier verhinderte, dass man sie bemerkte, selbst wenn feindliche Soldaten und Dämonen in Sichtweite waren. Die Leute schlichen sich mit gezückten Waffen in einen Nebenraum des Thronsaales und gingen an eine Wand gelehnt in Deckung. „Dort findet eine größere Versammlung statt“, flüsterte Tyrbalt, der die Vorgänge im Thronsaal mit magischen Sinnen wahrnahm. „Ich spüre, dass der Königliche Rat, mächtige Schwarzmagier und Dämonen anwesend sind.“ „Und Alazar?“, fragte Felarion leise. „Noch nicht“, sagte Tyrbalt. „Aber die Atmosphäre und die Angst im Thronsaal deuten darauf hin, dass seine Untergebenen ihn erwarten.“ „So ist es“, bestätigte Pandorax flüsternd. „In abgrundtiefer Furcht erwarten sie ihren allmächtigen Meister, der gleich in dem Saal erscheinen und auf dem Obsidianthron Platz nehmen wird, um das Wort an sein Gefolge zu richten. Ich spüre sein Nahen. Und das ist unsere einzige Chance, mit ganzer Kraft zuzuschlagen.“
24. Kapitel: Dämonische List
Der allmächtige Meister Alazar erschien im Thronsaal von Atlantium, schwebte erhaben zu dem Obsidianthron und setzte sich. Er blickte seine Untertanen an, die sich bei seinem Eintreffen alle ehrfurchtsvoll vor ihm auf den Boden geworfen hatten, und erhob mit der rechten Hand das allmächtige Dämonenauge. „Erhebt euch“, befahl Alazar, „um mich und die dämonische Waffe meiner Allmacht zu sehen und anzubeten!“ Die Gefolgschaft tat, wie ihr geheißen, und alle beobachteten gebannt, wie der Schwarzmagier den glatten runden Stein, von dem unvorstellbare dunkle Energien ausströmten, auf einen kleinen Altar vor dem Thron legte. „Die Zeit ist reif!“, sprach Alazar. „Unsere bisherigen Kriegspläne gegen die südlichen Reiche sind überflüssig geworden. Heute werde ich mit dem Dämonenauge zu einer unsterblichen Gottheit verschmelzen. Und ihr habt die Ehre, diesem magischen Ritual von kosmischem Ausmaß beizuwohnen. Ich werde die Sonne und die Galaxie zerstören, auf dass die ewige Herrschaft der bösen Urkraft anbreche. Alles Leben in der gesamten Galaxie wird ausgelöscht, bis auf mich und meine treuen Diener in diesem Saal. Wir sind die Armee des absoluten Bösen! Wir werden dem Multiversum ewige Dunkelheit bringen!“ Lauter tosender Applaus und wilde Jubelrufe auf den allmächtigen Meister entbrannten im Thronsaal von Atlantis. Minutenlang genoss Alazar die fanatischen Beifallsbekundungen seiner Schergen. Als der Schwarzmagier die Untergebenen daraufhin mit einem Wink wieder zur Ruhe brachte und absolute Stille einkehrte, traten die wichtigsten Unterführer hervor, darunter Argrath, Andron und Oborion sowie weitere mächtige Schwarzmagier. Sie knieten sich in einem Halbkreis um den Altar mit dem Dämonenauge und ihren Meister auf dem Obsidianthron. Denn nun wollten sie das mystische Ritual seiner Gottwerdung durchführen und dabei die rote Sonne zum Erlöschen bringen und die ganze Galaxie vernichten.
Plötzlich schnellte jedoch der Hofmarschall Kadrox hervor und zog den schwarzen Dolch. Er stürzte sich auf den Meister und wollte ihm die Kehle durchschneiden. Kadrox wurde von unglaublichen dämonischen Kräften angetrieben und verpasste Alazar tatsächlich einen tiefen Schnitt in den Hals, an dem jeder andere sofort gestorben wäre. Doch Alazar packte den Angreifer wütend, während sich seine Wunde langsam wieder schloss. Der Schwarzmagier drückte Kadrox mit einer Hand die Kehle zu und hob ihn hoch. Er entwendete ihm den schwarzen Dolch und zerstäubte die magische Waffe zu Nichts. Dann ließ er den gescheiterten Attentäter vor sich im Raum schweben. Der Hofmarschall schrie entsetzlich vor höllischen Schmerzen, die ihm der wütende Schwarzmagier zufügte, während er seine Krallen und seine vor unbändigem Hass und entfesseltem Todestrieb glühenden Augen auf ihn richtete. Die Anwesenden im Thronsaal sahen, wie Kadrox durch die Einwirkungen der Schwarzen Magie grausam die Augen ausgequetscht wurden, ihm dann langsam die Haut abgezogen und nach und nach sein ganzer bluttriefender Leib grauenhaft verbeult und zersetzt wurde. Die Schwarze Magie und der böse Wille des Alazar ließen die Schmerzen des Opfers dabei auf das Tausendfache anwachsen, bevor seine Überreste in der Luft in schwarzen Flammen verbrannten und nichts mehr von ihm zurückblieb. „Auch diese Fliege ist zertreten“, sagte Alazar und wollte sich wieder seinem Dämonenauge zuwenden, um das dunkle Ritual seiner Gottwerdung fortzusetzen. Doch das Dämonenauge war nicht mehr an seinem Platz. Zum grenzenlosen Entsetzen des Schwarzmagiers war das magische Artefakt vom Altar verschwunden.
Der Dämon Argrath lachte bösartig. Triumphierend hielt er das Dämonenauge in der Hand und blickte höhnisch auf seinen ehemaligen Meister hinab. „So leicht lassen sich die Menschen täuschen“, zischte er. „So leicht lassen sie sich von Hass und Gier und Machtfantasien vollkommen blenden und übermannen.“ „Das ist dein Ende, schäbiger Dämon!“, wütete Alazar. „Dir ergeht es wie all meinen Feinden!“ „Dazu warst du etwas zu leichtsinnig“, verspottete ihn der Dämon. „Mein Geschöpf konnte dich leicht ablenken. Diese List war von Anfang an geplant und genau auf diesen Moment ausgerichtet. Jetzt werde ich dich in die Welt der Dämonen hinab ziehen, in der du ewig leiden darfst. An deiner Stelle werde ich die Herrschaft über das gesamte Multiversum antreten!“
25. Kapitel: Kampf im Thronsaal
„Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“, sagte Argrath zu dem Gefolge im Thronsaal, während Alazar sich unter den höllischen Qualen, die ihm der Dämon magisch zufügte, am Boden wand. Der Königliche Rat, die weiteren Schwarzmagier und das Wilde Volk, die zuvor Alazar gedient hatten, mussten sich entscheiden. Sie waren noch völlig schockiert von dem Angriff durch Hofmarschall Kadrox und dem Verrat des grässlichen Dämons, der jetzt das allmächtige Dämonenauge in der Hand hielt. Wenn ihr Meister aber geschlagen war, dann blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich einem neuen Machthaber zu unterwerfen. Und das war jetzt offensichtlich der höhnisch grinsende Dämon Argrath. Während die Anwesenden im Thronsaal noch unschlüssig und verwirrt angesichts der dramatischen Entwicklungen waren, öffnete sich plötzlich ein Tor und die Rebellen unter Führung von Pandorax stürmten herein. „Wie ich sehe“, rief der Schwarzmagier, „bist du hier jetzt der Herr im Haus, Dämon! Du hast meinen alten Freund Alazar überlistet. Doch jetzt rate ich dir dringend, uns das Dämonenauge zu überlassen. Mach dich mit Alazar davon in deine Welt der Dämonen. Wenn du uns die magische Waffe aushändigst, lassen wir dich ziehen! Andernfalls ist deine Machtsucht auch dein Ende!“ „Ihr beliebt zu scherzen“, erwiderte Argrath spöttisch. „Ich habe euch schon einmal im Wüsten Land festgesetzt und mit dem Dämonenauge bin ich unbesiegbar! Unterwerft euch meiner Allmacht oder seid des Todes!“ „Zum Angriff!“, rief Pandorax wütend und deutete auf Argrath. Die Rebellen stürmten los. Drei Männer wollten den Dämon mit Schwertern angreifen, doch der fegte sie mit einer beiläufigen Handbewegung beiseite und sie verbrannten in schwarzem Feuer. Jetzt richtete Pandorax selbst einen magischen roten Feuerstrahl auf den Gegner, welchen dieser jedoch mit einem Schutzschild abwehrte, während er schwarze Feuerstrahlen auf die Rebellen sandte. Mehrere weitere Männer fielen den dämonischen Strahlen zum Opfer und verbrannten auf dem Boden des Thronsaales. Die Waldzauberin Zayandra aber richtete nun gewaltige grüne und weiße Blitze auf den Feind, sodass dieser einen Großteil seiner Aufmerksamkeit und seiner Kräfte aufbringen musste, um sich gegen die Angriffe von Pandorax und der Waldhexe zu verteidigen. Indessen standen Tyrbalt und die anderen Gefährten den ehemaligen Schergen des Alazar unter Führung von Stadthalter Andron gegenüber. „Ihr wart Handlanger Alazars!“, rief der Zauberer ihnen zu. „Doch ihr seht, wie es dem Unhold ergangen ist. Wer der Macht des Dämonenauges dient, wird betrogen und vernichtet. Schwört den Kräften des Bösen ab. Helft uns, dem Dämon diese schreckliche Waffe zu entwenden. Nur so könnt ihr überleben! Nur so können wir Atlantis und die Menschheit retten!“ Andron und Oborion wichen etwas zurück und besprachen sich kurz mit den anderen Schwarzmagiern, die im Dienste Alazars gestanden hatten. „Gut!“, rief Andron schließlich Tyrbalt und den Gefährten zu. „Wir kämpfen mit euch gegen diesen Verräter. Schlachtet den schändlichen Dämon!“ Daraufhin stellten sich alle Magier und Kämpfer im Saal gegen Argrath, der hinter seinem magischen Schutzschild das Dämonenauge festhielt. Gegen Alazar und sein Gefolge hätte er leichtes Spiel gehabt, ebenso wie gegen Pandorax und die Gefährten, hätte ihn nur eine dieser Gruppen angegriffen. Doch gegen ihre vereinten Kräfte, die jetzt von allen Seiten auf ihn einschlugen und mit magischen Energien zu ihm durchdringen wollten, um ihn zu zerschmettern, geriet der Dämon in ernsthafte Bedrängnis. Noch konnte er die Mächte des Dämonenauges nicht vollständig kontrollieren und einsetzen. Aber da es in seinem Besitz war, hatte er sein wichtigstes Ziel bereits erreicht. Um diese Schmeißfliegen konnte er sich später kümmern, wenn er mit der Allmacht des Dämonenauges verschmolz und alle dunklen Energien der bösen Urkraft entfesselte. „Den lächerlichen Widerstand werde ich euch bald mit ewigen Schmerzen vergelten!“, rief Argrath bösartig. „Ihr dürft euch schon darauf freuen, wenn ich Atlantis bald als dunkler Gott des Multiversums wieder heimsuche und euch diese Rebellion angemessen heimzahle!“ Der Dämon ergriff den kraftlosen, geschundenen Leib von Alazar und öffnete einen silbern glitzernden Spalt in der Luft. Er floh mit dem Dämonenauge durch den Spalt und zog sein Opfer in die Welt der Dämonen hinab.
26. Kapitel: Frieden
Sobald Argrath mit Alazar aus Atlantis geflohen war, verschwanden auch alle übrigen Dämonen, die Alazar für seine Zwecke beschworen hatte, denn ohne den Meister mussten sie in die Welt der Dämonen zurückkehren. Die uralten grausigen Unwesen, die Alazar mit Hilfe des Dämonenauges gerufen und beherrscht hatte, verließen ebenfalls wieder die Gefilde der Menschen und zogen sich weit in die nördliche Wildnis der vereisten Polarregion zurück. Die Macht Alazars und des Dämonenauges über die Schwarzmagier und das Wilde Volk war mit Verschwinden des gescheiterten Meisters und das magischen Artefakts ebenfalls erloschen. Die verschiedenen Völker und Gruppen, die sich im Verlauf der Kämpfe und der letzten dramatischen Ereignisse in Atlantium zusammengefunden hatten, hielten schließlich eine Versammlung ab, um zu verhandeln und über die Zukunft des Reiches zu beraten. „Alazar ist unschädlich gemacht“, sagte Pandorax. „Argrath haben wir gemeinsam in die Flucht geschlagen und er kann vorerst nicht aus seiner Welt der Dämonen nach Atlantis zurückkehren. Aber er hat das Dämonenauge und dessen unglaubliche Macht wird er sich früher oder später zu eigen machen. Wenn er diese Macht besser nutzen kann, sind auch Atlantis und die Menschheit wieder in größter Gefahr.“ „Wir brauchen hier geordnete Verhältnisse“, sagte Tyrbalt. „Zum Glück hat unsere junge Königin überlebt. Sie war, wie auch der ganze Königlichen Rat, in der Gefangenschaft von Alazar. Da die Mitglieder des Rates gegen seine Übermacht und seine Schergen nichts ausrichten konnten, tragen sie keine persönliche Schuld an den Gräueltaten, die unter Alazars Schreckensherrschaft an der Bevölkerung verübt wurden.“ „Unsere Kapitulation gegenüber Alazar beruhte auf dem Gedanken, dass der Bevölkerung damit möglichst wenig Leid geschehen sollte“, erklärte Königin Sydyana. „Andernfalls hätte der Unhold alle Menschen in Atlantium vermutlich sogleich abgeschlachtet oder zu Untoten gemacht. Die Armee des Alazar war übermächtig, deshalb erschien uns die Unterwerfung als einzige verzweifelte Hoffnung für die Menschen. Wir haben allerdings nicht das ganze verheerende Ausmaß erahnt, das seine Gewaltherrschaft bedeuten würde. Das fürchterliche Leiden der Bevölkerung durch seine Soldaten und seine schrecklichen Dämonen mussten wir im Palast hilflos miterleben.“ „Als Königlicher Rat waren wir willenlose Marionetten des dunklen Herrschers“, bestätigte General Sabalan. „Hätten wir offenen und letztlich völlig sinnlosen Widerstand geleistet und uns somit alle selbst geopfert, wäre es dem Volk vermutlich noch schlechter ergangen.“ „Wie bereits gesagt“, erklärte Tyrbalt. „Ich plädiere dafür, die Königin und ihren Königlichen Rat wieder als rechtmäßige Regierung von Atlantis anzuerkennen und von jeder Schuld während der Tyrannei Alazars freizusprechen. Was die Beurteilung einzelner Hofbeamter und möglicher Verfehlungen betrifft, wie sie uns etwa über den verstorbenen Hofmarschall Kadrox zu Ohren gekommen sind, so sollten die Königin und ihre Getreuen dies künftig in aller Ruhe untersuchen und wenn nötig entsprechende Entscheidungen treffen. Zunächst gilt es jedoch, die neue Lage zu überblicken, das Volk zu beruhigen und die Verwundeten und die Kranken zu versorgen. Wir müssen alle Toten begraben und die Hauptstadt nach der verheerenden Zerstörung wieder aufbauen.“ „So ist es“, sagte Königin Sydyana. „Und ich berufe hiermit Tyrbalt in den Königlichen Rat. Ich ernenne ihn zu meinem Obersten Berater.“ „Was immer in meiner Macht steht“, sagte der alte Zauberer, „will ich gerne für Euch und zum Wohle des Reiches tun, solange es nötig erscheint.“ „Ich spreche für das Wilde Volk und die Gilde der Schwarzkünstler“, meldete sich Andron zu Wort, der neben dem alten Fuchsschamanen Oborion saß. „Wie Ihr wisst, führte ich den Feldzug Alazars und wurde von ihm zum Stadthalter von Atlantis gemacht. Sicherlich war ich unter dem bösen Einfluss von Alazar ebenso wie auch die anderen Schwarzkünstler und das glorreiche Wilde Volk. Er hat uns mit dem Dämonenauge alle in seinen finsteren Zauberbann geschlagen und wie den Königlichen Rat als willenlose Werkzeuge benutzt. Nach der Befreiung stehen wir dem Volk von Atlantis jetzt mit den besten Absichten gegenüber und wollen den Frieden gewährleisten. Wie das Schicksal es will, bin ich bereits mit Königin Sydyana vermählt. Indem wir diese Verbindung bekräftigen und als König und Königin von Atlantis herrschen, sichern wir den Frieden zwischen dem edlen Wilden Volk und dem Volke von Atlantis.“ „Andron unser Führer sein als Silberner Fuchs“, sagte Oborion mit kehligen Lauten, aber in menschlicher Sprache. „Glorreiches Wildes Volk niemals war so vereint und so stark wie heute. Und da wir jetzt befreit von dem bösen dunklen Herrscher, wir folgen dem Silbernen Fuchs und seiner guten Frau als Königspaar von Atlantis!“ „Eure Verbrechen unter Alazar suchen ihresgleichen“, sagte die Königin. „Wie könnten wir das jemals vergessen? Und wie könnten wir jemals sicher sein, dass Ihr keine finsteren Absichten mehr hegt?“ „Wie bereits angeführt“, sagte Andron, „wurden wir von der bösen Macht des Alazar verblendet und beherrscht, von der wir dann zum Glück wieder befreit wurden. Hierin erging es uns ganz genauso wie Euch und Eurem Königlichen Rat. Im Kampf gegen den schäbigen Dämon Argrath haben wir unter gefährlichen Umständen bewiesen, dass wir tatkräftig an Eurer Seite stehen. Wir haben uns gegen die Mächte des finsteren Dämonenauges bewährt. Mit dem historischen Frieden unserer Völker und gemeinsamer gerechter Herrschaft in Atlantis sind alle unsere Wünsche erfüllt!“ „Einverstanden“, sagte Sydyana, als sie keinen Widerspruch von Tyrbalt oder ihren anderen Beratern vernahm. „Unter diesen Bedingungen werden wir den Frieden sichern und gemeinsam Atlantis regieren.“
In einer kurzen Pause der stundenlangen Sitzung, in der alle möglichen politischen Angelegenheiten erörtert wurden, kam Andron kurz zu seinen Geschwistern, die in einer der hinteren Reihen in dem Versammlungsraum saßen. Bei dem Kampf im Thronsaal hatten sich die beiden Brüder Adama und Adebar im Hintergrund gehalten, um die junge Alena zu schützen. Später hatten sie dann ihren lange verschollenen und längst tot geglaubten Bruder erkannt, doch sie konnten immer noch nicht glauben, in welcher Rolle sie ihn bei Hofe wieder trafen. Für ein längeres vertrautes Gespräch gab es bisher keine Gelegenheit. „Es entwickelt sich alles zum Besten“, sagte Andron freundlich. „Wer hätte je gedacht, dass wir uns nach all den Jahren unter solchen Umständen wiedersehen?“ „Und wer hätte je gedacht“, sagte Adebar, „dass einer aus unserer Familie einst den Obsidianthron von Atlantis besteigt?“ „Hast du etwas von unseren Eltern gehört?“, fragte Adama. „Ich fürchte“, sagte Andron ernst, „die Rebellen in den nördlichen Wäldern sind alle gefallen. Das berichtete mir vorhin General Sabalan. Ich wollte abwarten, bis es keinen Zweifel mehr gibt. Aber, ehrlich gesagt, wenn sie dabei waren, besteht leider keine große Hoffnung.“ „Sie haben bis zuletzt tapfer gekämpft“, sagte Adama, während Alena zu weinen anfing und sich an die Brust des großen Bruders drückte. „Hoffentlich ging es schnell.“ „Mit ihrem mutigen Einsatz haben sie uns und Atlantis größte Ehren erwiesen“, sagte Andron. „Wir werden ihr Andenken bewahren. Ich hoffe doch, ihr bleibt auch bei Hofe, denn wir brauchen jede Unterstützung. Für euch wird in Atlantium immer gut gesorgt sein.“ „Ja, ich denke, wir bleiben“, sagte Adebar. „Wir müssen die Ereignisse wohl erst einmal verarbeiten. Der Norden ist in der Todeskälte praktisch unbewohnbar und unser Anwesen ist längst zerstört. Hier sind auch Tyrbalt und meine anderen Gefährten. Es gibt wahrlich noch viel zu tun und dem Reich und der Welt drohen noch viele Gefahren. Doch wer weiß, was die Zukunft bringt?“ „Ich bin jedenfalls froh“, sagte Andron, „dass ihr in meiner Nähe seid. Leider bleibt bei meinen Aufgaben wenig Zeit. Aber wir sehen uns später. Ich freue mich darauf, euch meiner Königin vorzustellen.“ Der junge Schwarzmagier streichelte der kleinen Alena noch über den Arm und begab sich dann mit einigen Vertrauten wieder zu den Beratungen. Da die wichtigsten Punkte der Versammlung bereits abgehandelt und die wichtigsten Endscheidungen von allgemeinem Interesse getroffen waren, verließen die drei Geschwister bald die Sitzung und begaben sich in ihre Gastgemächer. Als Adebar später alleine in seinem Bett lag, dachte er lange an seine Eltern und die Geschehnisse seit dem Verschwinden von Andron. Nun begann die Zeit der Trauer. Er ließ den Tränen freien Lauf und weinte bitterlich, bis er in tiefen, friedlichen Schlaf sank.
27. Kapitel: Flucht von der sterbenden Erde
Einige Monate nach der Befreiung von Atlantis spitzte sich die Lage erneut dramatisch zu. Alle Anzeichen deuteten auf ein baldiges Erlöschen der dunkelroten Sonne hin, wenn auch niemand wusste, ob dies der natürliche Lauf der Dinge war oder ob es mit Argrath und dem Dämonenauge zusammenhing. Die Instrumente der Wissenschaftler und die Wahrnehmungen der Magier und Schamanen ließen keinen Zweifel daran, dass, selbst wenn die Sonne vielleicht noch etwas länger existierte, alles Leben auf der Erde in wenigen Wochen vernichtet sein würde. Der Königliche Rat beschloss deshalb, den geheimen Plan mit dem Sternenschiff so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen. Der Hochadel von Atlantis mit ausgewählten Bediensteten, hochgestellte Vertreter des Wilden Volkes und die Magier der Gilde der Schwarzkünstler begaben sich als Passagiere an Bord des Schiffes. Die Gefährten um Pandorax erhielten ebenfalls Plätze an Bord, da sie wesentlich zur Befreiung von Argrath und der finsteren Macht des Dämonenauges beigetragen hatten. Vor der übrigen einfachen Bevölkerung wurde das unmittelbar bevorstehende Ende des Lebens in diesem Sonnensystem ebenso wie der geheime Fluchtplan offiziell weiter geheimgehalten. Da inzwischen jedoch immer mehr Leute eingeweiht wurden und sich die Gerüchte spätestens mit dem Aufruf an die Auserwählten, an Bord zu kommen, vielfach weiter verbreiteten, sprach man bald in ganz Atlantium über die dramatischen Vorgänge. Kurz vor dem Start des Sternenschiffs belagerten wutentbrannte Menschenmassen und Wildes Volk den Palast von Atlantium. Hunderttausende wollten auch mitgenommen und vor dem sicheren Tod auf der Erde gerettet werden oder aber das Raumschiff zerstören und die Privilegierten totschlagen. Wäre noch mehr Zeit geblieben, dann wäre es bei der Verteidigung des Palastes und der Niederschlagung der Aufstände sicherlich zu einem Abschlachten und Blutvergießen gekommen, das dem Feldzug und den Gräueltaten des Alazar in nichts nachgestanden hätte. Da das Sternenschiff jedoch sogleich aufbrechen musste, schirmten die Zauberer kurzerhand alle Zugänge mit einem magischen Schutzschild gegen Angriffe ab, bis alle rechtmäßigen Passagiere mit ihrem genehmigten Hab und Gut an Bord waren. Dann wurden alle Türen geschlossen und die Startraketen gezündet. Das gewaltige Sternenschiff schnellte mit enormer Geschwindigkeit von seiner Startrampe in der geheimen Fertigungshalle empor. Es flog durch die zu diesem Zwecke vorbereitete Öffnung aus den großen unterirdischen Höhlen von Atlantium und weiter nach oben in den kalten Himmel. Dabei wurden durch herabstürzende Trümmer an den Seiten der Öffnung, die sich wie ein riesiges Tor im Boden auftat und durch den Palast führte, und durch den mächtigen Feuerstoß der Startraketen große Teile des alten Königspalastes zerstört. Die Reisenden waren größtenteils in ihren Kabinen angeschnallt, um die Belastungen und Gefahren des Starts möglichst unversehrt zu überstehen. Der Kommandant und die Steuerleute und weitere Männer der Besatzung konnten jedoch von der Brücke und durch andere große Schiffsfenster zurückblicken. Sie sahen hinab auf einen großen, schwarzen Krater inmitten von Atlantium, den ihr Start zurückgelassen hatte. Dann entfernten sich die vielen Dächer, Straßen und Plätze der Hauptstadt schnell unter ihnen und sie sahen die von tiefem Schnee bedeckte Landschaft, die weißen Felder, Hügel, Wälder und Gebirge von Atlantis. Der Austritt aus der Erdatmosphäre ging mit einem gewaltigen Erzittern des Sternenschiffes einher. Es kam jedoch zu keinen ernsthaften Schäden und Atemluft war in ausreichendem Maße vorhanden, wurde von wundersamen Maschinen erzeugt und für die Menschen im Innenraum des Schiffs gehalten. Die Startraketen mit ihren großen entleerten Treibstofftanks wurden abgeworfen und das Raumschiff schwebte nun mit hoher Geschwindigkeit durch den Weltraum. Alle Gerätschaften und Systeme der uralten, wiederbelebten Technologien funktionierten offenbar einwandfrei. Nachdem das Sternenschiff die Erdatmosphäre verlassen hatte, konnten die Raumfahrer beobachten, wie die zunächst große weiß-blaue Erdkugel, von der sie sich schnell entfernten, hinter ihnen immer kleiner wurde. Ein letztes Mal sahen sie ihren von Leid geplagten Heimatplaneten im schwachen Lichte der dem Tode geweihten dunkelroten Sonne. Sie kehrten nie zurück.
Nachdem die Passagiere die Räumlichkeiten und Gegebenheiten im Inneren des Raumschiffs voller Staunen erkundet und sich in ihren Kabinen den relativ beengten Umständen entsprechend eingerichtet hatten, fand eine Sitzung des Königlichen Rats mit ausgewählten Gästen in einem Versammlungssaal statt. Kommandant Mazadon und der Oberste Baumeister Vertigor erklärten den Leuten die wichtigsten Aspekte der Schiffskonstruktion und der Reiseplanung und gaben Anweisungen für das Verhalten an Bord des Sternenschiffes. Dabei galten viele Sicherheitsvorschriften, um nicht die Gerätschaften des Schiffes zu beschädigen und insbesondere nicht den lebenswichtigen Kreislauf zu stören, der die Versorgung mit Atemluft gewährleistete. „Wie lange soll diese Reise Euren Planungen zufolge dauern?“, fragte König Andron, der gemeinsam mit Königin Sydyana die Sitzung leitete. „Wie lange reichen die Vorräte an Bord und was sind die langfristigen Aussichten der wundersamen Raumfahrt?“ „Was die Vorräte betrifft“, erklärte Mazadon, „so sind in den Lagerräumen zunächst genug Lebensmittel für alle dreitausend Passagiere für etwa ein halbes Jahr vorhanden. Es wird jedoch in entsprechenden Hallen Nutzvieh gehalten und in anderen Hallen wurden Gärten und Gewächshäuser angelegt. Es werden Getreide, Obst und Gemüse angebaut, sodass die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln auf unbestimmte Zeit sichergestellt sein dürfte, wenn unsere Bemühungen der Lebensmittelproduktion wie geplant verlaufen und langfristig erfolgreich sind. Ganz genau ist dies über lange Zeiträume freilich nicht vorher zu sagen. Bei den Vorbereitungen und Einrichtungen haben wir uns jedenfalls an die detaillierten Aufzeichnungen der Urahnen gehalten, soweit dies mit unseren Mitteln technisch möglich war. Trinkwasser ist in großen Speicheranlagen ebenfalls für ein halbes Jahr vorhanden. Da jedoch so gut wie kein Wasser den komplexen technisch geregelten Lebenskreislauf des Schiffes verlässt und außerdem Milch und Fruchtsäfte produziert werden, sind auch diese Bedürfnisse zumindest bis auf Weiteres ausreichend zu befriedigen.“ „Dennoch“, wandte Sydyana ein, „selbst wenn wir auf wundersame Weise tatsächlich ein halbes Jahr oder länger ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schiff überleben, wie soll dann unsere fernere Zukunft aussehen? So beeindruckend diese Technologien der Alten auch sind, sie scheinen mir nicht für die Ewigkeit gemacht. Das Leben auf einem Planeten wie der Erde mit einer natürlichen Atmosphäre und einer kraftvollen Sonne können sie nicht im Entferntesten ersetzen.“ „Außerdem werden die Menschen vielleicht nicht lange unter diesen ungewohnten Bedingungen die Ruhe bewahren“, sagte General Sabalan. „Es könnte schwer werden, die Ordnung aufrecht zu erhalten, gerade wenn es bei den Lebensmitteln vielleicht irgendwann doch einmal zu Engpässen kommen sollte.“ „Ich teilen diese Bedenken“, sagte Oborion. „Die Magie der Alten uns gerettet vor Tod von roter Sonne, aber leerer, schwarzer Weltraum machen Wildem Volk große Angst! Wir fern von Zauberkräften der lebendigen Erde.“ „Ist diese Raumfahrt nicht letztlich eine hoffnungslose und ziellose Reise ins Nichts?“, fragte Andron an den Kommandanten und den Obersten Baumeister gewandt. „Unsere Reise ist nicht völlig ziellos“, sagte Vertigor. „Ein wesentlicher Grund hat vor einigen Jahrzehnten ganz entscheidend die geheimen Planungen vorangetrieben und zu dem Baubeginn am Sternenschiff beigetragen. Neben den Aufzeichnungen über die faszinierenden alten Raumfahrttechniken wurde nämlich ein erhaltenes Artefakt dieser Technologien selbst entdeckt.“ Der Baumeister holte einen schwarzen Kasten von seltsamer Konsistenz mit glatter Oberfläche hervor. Er hatte ihn von der Brücke des Raumschiffs mitgebracht, um ihn den hochrangigen Anwesenden bei dieser Sitzung zu präsentieren. Auf den Seiten des geheimnisvollen Würfels waren silberne und goldene Zeichen erkennbar, die vielleicht einer unbekannten uralten Sprache angehörten. Gelegentlich leuchteten diese Zeichen auf oder veränderten ihre Formen, während Vertigor das seltsame Artefakt in Händen hielt. „Dieses Kästchen enthält genaue Informationen und die Koordinaten für das Ziel einer solchen Raumfahrt“, erklärte er. „Unsere Vorfahren haben vor vielen Jahrtausenden offenbar auf unvorstellbare Weise für den damals noch gleichsam unendlich weit entfernten Tod der Sonne und der Erde vorgesorgt. Dann gingen ihre hoch entwickelten Kulturen irgendwann unter und ihre machtvollen Technologien waren für viele Zeitalter verloren und vergessen. Dieses Kästchen aber wurde in den Bergwerken von Atlantis wiedergefunden und es enthält nicht nur technische Aufzeichnungen, Weltraumkarten und ähnliches, sondern es ist selbst so etwas wie ein mächtiger kosmischer Magnet. Es weist den Raumfahrern den Weg und lenkt das Sternenschiff dorthin, wo die Menschheit gerettet werden kann.“ Vertigor berührte eine bestimmte Stelle des Kastens. Daraufhin verschob sich ein kleines Element an der Oberfläche und darüber erschien ein Gebilde aus Licht. Das Hologramm zeigte eine Zylinderform, die waagerecht im Raum lag und an beiden Enden abgerundet war. „Diese künstliche Welt haben die Magier und Wissenschaftler der Alten erbaut“, sagte Vertigor. „Oder vielleicht waren es auch ihre Götter. Sie birgt, den Aufzeichnungen zufolge, einen Raum, der ungefähr so groß ist wie das Königreich Atlantis. Wenn der Kasten noch richtig funktioniert und die Koordinaten noch stimmen, dann befindet sich diese Welt an einer Stelle im Weltraum, die wir mit dem Raumschiff in ungefähr einem halben Jahr erreichen. Der Lebensraum befindet sich dort nicht wie auf der Erde oder einem vergleichbaren Planeten an der Oberfläche, sondern vielmehr im hohlen Inneren der Welt. Dort allerdings sollen alle Voraussetzungen für das Leben bestens eingerichtet sein. Und schließlich kann sich diese gigantische Spule selbst mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den Weltraum bewegen und die fernsten Galaxien erkunden.“ „Deshalb wissen wir auch nicht“, sagte Kommandant Mazadon, „ob sich diese künstliche Welt heute noch an der Stelle befindet, die in den Weltraumkarten des Kästchens verzeichnet ist und die wir mit seiner wundersamen magnetischen Kraft gerade ansteuern. Da jedoch eine besondere Verbindung zwischen dem Kästchen und diesem Ziel zu bestehen scheint, sind wir guter Hoffnung, dass wir diese fantastische neue Welt erreichen.“ „Diese Möglichkeit besteht“, sagte Pandorax, der mit den Gefährten zugegen war. „Zwar sind die kosmischen Entfernungen völlig andere als auf der Erde, deshalb ist die Vision etwas unklar, aber die magische Fernsicht scheint Eure Ausführungen zu bestätigen. Ich werde gerne versuchen, dies in der nächsten Zeit mit meinen Mitteln genauer zu ergründen.“ „Das also war der große Plan unserer Urahnen“, sagte Tyrbalt. „Die Menschheit mit den unvorstellbaren Wundern der alten Magie zu retten und in den grenzenlosen Weltraum zu führen. Hoffen wir, dass wir diese wundersame neue Welt wirklich finden.“
28. Kapitel: Neu-Atlantis
Die Menschheit hat ihren Ursprung für immer verlassen. Nach einem halben Jahr der Reise von der sterbenden Erde durch den endlosen dunklen Weltenraum, haben wir eine neue Heimat gefunden. Der wundersame Zylinder, der sich jetzt mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Galaxien bewegt, befindet sich in einem riesigen Felsen und umfasst eine Welt etwa so groß wie unser altes Atlantis. Es gibt hier einige hoch entwickelte komplizierte technische Einrichtungen, wie etwa den Landebereich für Raumschiffe und die Gebäudekomplexe, die der Steuerung und Überwachung der ganzen Spulenwelt dienen. Diese befinden sich im Wesentlichen an den beiden Enden des länglichen Zylinders in großen Felsengebirgen. Dazwischen liegen weite Landschaften, mit wunderbaren Bergen und Tälern, Flüssen und Seen, Wäldern und Ebenen, wie man sie aus den schönsten und fruchtbarsten Weltgegenden der alten Erde kannte. Und dieser Lebensraum mit frischer klarer Atemluft erstreckt sich über die gesamte Innenseite der gigantischen Spule. Wir können hier mit derselben Anziehungskraft wie einstmals auf der Erdkugel auf dem Boden wandeln und das ganze Land erkunden und besiedeln. Über uns sehen wir deshalb keinen freien blauen Himmel bei Tag und keinen nächtlichen Sternenhimmel, sondern in weiter Ferne die Himmelsländer, welche die jeweils gegenüberliegende gebogene Innenfläche der Spule bilden. Allerdings gibt es hier auch bekannte Klimaverhältnisse und Wettererscheinungen wie etwa Winde, Wolken und Niederschläge, sodass wir uns in dieser Hinsicht zumeist ganz wie auf der alten Erde fühlen. Eines der größten Wunder der Zylinderwelt aber ist die lange Sonne. Freilich existiert hier kein Zentralgestirn wie der leuchtende Ball der dunkelroten Sonne unserer Erde, um welches die Planeten wie Kugeln kreisen. Stattdessen geht vom einen Ende der Spule zum anderen durch die Mitte der Welt ein gleißender heller Energiestrahl und spendet uns Licht und Wärme. Am Abend wird diese lange Sonne abgeblendet und am Morgen wieder aufgeblendet und die mechanische Konstruktion der langen Sonnenblende ist so eingestellt, dass durch ihre Drehung um den Energiestrahl in der ganzen Welt ein irdischer Tag- und Nachtzyklus abläuft. Von den dreitausend Reisenden sind auf der Überfahrt dreiundzwanzig an Altersschwäche oder Krankheit gestorben. Indessen sind fünf Kinder geboren worden. Der Königliche Rat, die weiteren Führungskräfte und die ganze Bevölkerung haben tatkräftig und zuversichtlich mit der Erforschung und Besiedelung der neuen Heimat begonnen. Wir gründen eine Königliche Universität und richten Forschungsstätten, Laboratorien, Geschichtsarchive und Bibliotheken ein, um das Wissen und die Kulturen der alten Erde für kommende Generationen zu bewahren und die besten Möglichkeiten und Grundlagen für unser künftiges Leben und unsere künftige Gesellschaft zu finden. Unsere Wissenschaftler ergründen die machtvollen Technologien der Alten, um sie noch besser zu verstehen und anwenden zu können. Die neu gegründete Akademie der Zauberei verbindet die Erkenntnisse der weißen und schwarzen Magie. Hier werden die mystischen Künste weiter erforscht, entwickelt und gelehrt. Die Menschen und das Wilde Volk leben in Frieden und Harmonie zusammen, kolonisieren diese Welt und bauen das gemeinsame Königreich auf. Wir sitzen nun als Königspaar auf zwei Obsidianthronen im Zentrum eines neuen Palastes, dessen weiterer Ausbau gerade erst begonnen hat. Die wundersamen Ereignisse, die uns in diese schöne neue Welt geführt haben, halten wir in einer Erzählung fest und die Entwicklung des neuen Reiches zeichnen wir in einer jährlichen Chronik auf, damit das Volk und die Nachwelt von den Geschehnissen und Taten der Vergangenheit erfahren und daraus ihre eigenen Lehren für die Zukunft ziehen mögen.
König Andron und Königin Sydyana im ersten Jahr ihrer Regentschaft von Neu-Atlantis
* * *
Die alte Erde lag öde und leblos da. Dann öffnete sich ein silberner Spalt in der toten Atmosphäre und der Dämon Argrath erschien. Er schwebte über die leeren Ebenen der Erde und erkannte, dass hier niemand mehr war, den er heimsuchen und foltern konnte. Also flog er in den Weltraum hinaus und nahm die Spur der geflohenen Menschen auf. Er bemerkte, dass diejenigen überlebt hatten, die ihn einst in die Welt der Dämonen zurückgetrieben hatten. Und an ihnen würde er blutige Rache üben, denn jetzt konnte er die Mächte des Dämonenauges nach seinem Willen gebrauchen. Der silberne Dämon schwebte zischen der toten Erde und der blutroten Sonne und erhob die schwarzmagische Waffe, die in dunklen Energien glühte und knisterte. Die Sonne und mit ihr die Erde und alle anderen Planeten in ihrer Umlaufbahn wurden in einer gewaltigen Explosion vernichtet. Argrath triumphierte und sein dämonisches Antlitz verzerrte sich zu einem bösartigen höhnischen Grinsen. Alle Energien dieses Sonnensystems und sogleich alle Energien dieser Galaxie flossen seinem Dämonenauge zu. Hier konnte niemals wieder Leben gedeihen. Argrath machte sich mit dem allmächtigen Dämonenauge daran, seine Feinde bis ans Ende des Multiversums zu verfolgen und alle zu töten.
Ende
Handelnde Personen
Adama, älterer Bruder von Adebar Adebar, junger Zauberer Adele, Adebars Mutter Alazar, mächtiger Schwarzmagier Alena, jüngere Schwester von Adebar Andron, jüngerer Bruder von Adebar, Silberner Fuchs, Schwarzmagier, Stadthalter und König von Atlantis Argrath, ein Dämon Ascolan, Adebars Vater, Kommandant Felarion, Schwertmeister und Söldner Kadrox, Hofmarschall von Atlantis Kardaros, einstiger König von Atlantis Karodan, einstiger König von Atlantis Mazadon, ein Schiffskommandant Oborion, alter Schamane der Füchse Pandorax, mächtiger Schwarzmagier Sabalan, General von Atlantis Sydyana, junge Königin von Atlantis Tyrbalt, alter Zauberer Ulangarth, ein Dämon Vertigor, Baumeister von Atlantis Zayandra, Waldzauberin und viele andere
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