Die Zauberer von Atlantis

 

 

Drittes Buch:

 

Die Wunder der alten Magie

 

 

 

 

 

20. Kapitel: Durch den Schnee

 

 

 

Die Sonne verlor immer mehr an Kraft. Pandorax zeigte den Gefährten mit astronomischen Gerät­schaften und Sternenkarten, dass sie kaum noch stark genug war, die Erde in ihrer Umlaufbahn zu halten. Da also die Strahlkraft der Sonne immer geringer wurde und zu­gleich die Erde auf ihrer Bahn einen immer größeren Bogen schlug und sich somit ständig weiter vom Zentralgestirn entfernte, war der Todeswinter der Welt angebrochen.

Während ihrer Gefangenschaft unter den selt­samen Bedingungen im Wüsten Land hatten die Gefährten es nicht bemerkt, doch nach ihrer Flucht durch den magischen Tunnel er­kannten sie, dass es in Atlantis von Tag zu Tag viel kälter und dunkler wurde. Eisige Schneestürme fegten über das Land dahin, innerhalb kurzer Zeit lag plötzlich Meter ho­her fester Schnee und alle Gewässer waren in klir­render Kälte zugefroren.

Viel Zeit zum Beklagen dieser Lage blieb den Gefährten jedoch nicht, denn schon kurz nach ihrer Ankunft näherten sich die Schergen Alazars dem Anwesen des Pandorax.

Es sind nur einige Späher“, bemerkte der Schwarzmagier. „Die Truppen Alazars durch­streifen das gesamte Reich, um noch den letzten Men­schen in irgendeinem Winkel von At­lantis zu töten oder zu unterjochen und für die Pläne dieses Wi­derlings einzuspannen.“

Mit diesen Spähern sollten wir doch leicht fer­tig werden“, sagte Felarion.

Das werden wir“, sagte Pandorax. „Es ist aber auch ein Schwarzmagier dabei. Dieser Ort ist des­halb nicht mehr geheim. Alazar weiß, dass wir hier sind, und kann bald schwerere Geschütze auffah­ren.“

Wenn der Schutzzauber nicht mehr wirkt“, sagte Zayandra, „dann sollten wir schnell von hier verschwinden.“

Ja“, bestätigte Pandorax. „Wir machen diesen feindlichen Spähtrupp nieder und dann müssen wir mein geliebtes Heim wohl oder übel verlassen.“

 

Es waren ein Schwarzmagier und fünfzig Krieger des Wilden Volkes, vor allem blutrünstige Wölfe und Bären. Im Morgengrauen stapften sie durch den tiefen Schnee und wollten das Anwesen stür­men. Pandorax und der Dämon Ulangarth traten heraus und stellten sich den Feinden entgegen.

Unterwerft euch dem allmächtigen Meister Alazar!“, rief der feindliche Magier. „Sonst seid ihr des Todes!“

Schäbiger Handlanger!“, rief Pandorax. „Un­geziefer wie euch zertreten wir vor dem Früh­stück. Und das gleiche werden wir mit eurem abscheuli­chen Führer machen!“

Der andere Schwarzmagier sandte einen knis­ternden roten Blitzstrahl aus, doch Pandorax wehr­te ihn beiläufig mit einem magischen Schutzschild ab und sammelte seine Kräfte zum Gegenschlag. Er sandte lebende schwarze Flammenzungen aus, die das Energiefeld des Feindes durchbrachen und ihn verbrannten. Ulangarth wehrte inzwischen die heranstür­menden wilden Krieger ab, die sich auf die beiden Gefährten stürzen wollten, und vernich­tete dabei mehrere mit seinen fliegenden Krallen. Blut und Gedärme der Geschlachteten ergossen sich über den weißen Schnee. Als der feindliche Schwarzmagier gefallen und sein Leib zu Nichts zerstäubt war, konnte Pandorax sich ebenfalls in Ruhe dem Wilden Volk widmen. Mit einem schwarzmagischen Feuerzauber mähte er die übri­gen hybriden Wolfs- und Bärenmänner erbar­mungslos nieder, bis alle tot waren.

 

Am nächsten Tag verließen die Gefährten das An­wesen des Pandorax. Der Schwarzma­gier hatte seine wichtigsten Bücher und magischen Artefakte in Taschen und Kisten ver­staut, die zwei großen grauen Pferden aufgeladen wurden. Außerdem hat­te er kräftige Reitpferde beschafft, sodass die Leute nicht selbst durch den fast undurchdringlichen tie­fen Schnee marschieren mussten, sondern in dicke Kapuzenumhänge gehüllt reiten konn­ten. Als sie etwa hundert Meter von dem alten steinernen Ge­bäude entfernt waren, blieben die Reiter stehen und blickten zurück, denn Pandorax hatte Sprengladun­gen in den Kel­lern und den Gemäuern angebracht, die jetzt ihre zerstörerische Wirkung zeigten. In mächtigen Explosionen ging alles in schwarzen und roten Flammen auf und der Gebäude­komplex, dem Jahrhunderte lang kaum eine Armee oder ein Magier etwas hätte anhaben können, wurde in ei­nem gewaltigen Feuersturm vernichtet. Man wollte Alazar möglichst wenig Spuren und Hinweise zu­rücklassen und vor allem sollte er nicht in den Be­sitz der wertvollen magischen Gegenstände und Aufzeichnungen kommen, die Pandorax nicht alle auf die Reise mitnehmen konnte. Von seinem stol­zen Anwesen sollte nur verbrannte Erde zurück­bleiben, die bald ebenfalls von hohem Schnee überdeckt und für immer der Verges­senheit anheim gegeben wurde.

 

Drei Tage lang ritten die Gefährten nach Nordwes­ten und stemmten sich gegen die dich­ten Schnee­wehen, ohne dass sie genau wussten, was eigent­lich ihr Ziel war und wie ihre nächsten verzweifel­ten Schritte im Kampf gegen die Schreckensherr­schaft Alazars ausse­hen konnten. Dann erblickten sie eines Nachmittags hinter einer Hügelkette eine kleine Ansiedlung von schneebedeckten Zelten.

Wenn das wieder Handlanger von Alazar sind“, sagte Felarion, „steht wohl ein weiteres Schlachtfest bevor.“

Die sehen nicht wie seine Truppen aus“, ent­gegnete Zayandra. „Vielleicht sind das Atlan­tier, die vor den Unwesen geflohen sind und sich hier verstecken.“

He da! Wen treffen wir hier an?“, rief Pan­dorax, als sie nahe genug an den Zelten waren.

Das größte der Zelte öffnete sich und ein kräfti­ger Mann mit braunem Bart und einem Breit­schwert in den Händen trat heraus. Ihm folgten drei jüngere, entschlossen dreinbli­ckende Männer mit Schwertern, darunter ein hochgewachsener schlanker Kämpfer mit dunklem Spitzbart.

Ich bin Kommandant Ascolan!“, rief der ältere Mann mit tiefer Stimme und finsterem Blick. „Wir sind Rebellen und kämpfen für Atlantis! Wenn ihr dem dunklen Herrscher dient, findet ihr hier den Tod!“

Daraufhin kamen weitere Kämpfer aus den Zelten, kreisten die Ankömmlinge ein und be­drohten sie mit Armbrüsten, Pfeil und Bogen und Lan­zen.

Ihr schwingt große Worte!“, rief Pandorax. „Aber es besteht kein Grund zur Sorge, denn wir sind auf eurer Seite!“

Die Gefährten nahmen ihre Kapuzen ab und während der Anblick des Dämons Ulangarth für deutliches Unbehagen unter den Rebellen sorgte, freute sich Adebar über ein unver­hofftes Wiederse­hen mit seinem Vater und seinem großen Bruder. Kommandant Ascolan und Adama erkannten nun ebenfalls Adebar sowie den alten Magier Tyrbalt und kaum wa­ren diese von ihren Pferden gestie­gen, da kamen auch schon die Mutter Adele und die kleine Schwester Alena angelaufen, um den ge­liebten Ankömmling in die Arme zu schlie­ßen.

 

 

 

 

 

21. Kapitel: Königlicher Rat

 

 

 

Der allmächtige Meister will, dass wir die Rebel­len mit einen Todesschlag auslöschen“, sagte An­dron im Königlichen Rat. „Niemand darf in Atlan­tis leben, der seine absolute Herr­schaft anzweifelt. Wer Alazar nicht bedingungslos folgt, wird sofort vernichtet!“

Um wie viele Rebellen handelt es sich denn, Eurer Einschätzung nach?“, fragte Kadrox.

Es sollen nur etwa dreihundert Aufständische sein“, sagte Andron. „Wir werden sie so schnell wie möglich ausmerzen! Sabalan, was habt Ihr über die schäbigen Verräter und Eure Bemühungen zu berichten?“

Sie verstecken sich in den nördlichen Wäl­dern“, erklärte General Sabalan. „Dort locken sie unsere Truppen immer wieder in Hinterhalte. Wir haben bereits über tausend Soldaten verloren. Aber in einigen Tagen werden wir sie mit einer größeren Streitmacht erreichen und die Wälder großflächig niederbrennen. Die Rebellen werden ausgeräuchert und ver­nichtend geschlagen.“

Gut so“, sagte Andron. „Wir brauchen unsere Truppen, um nach Süden gegen alle ande­ren Län­der zu ziehen. Aber auch dieses Rebellenungezie­fer im Reich wird bis auf den letz­ten Mann abge­schlachtet! Es kann unseren Weg zur Weltherr­schaft nicht aufhalten! Gene­ral Sabalan, Ihr erstat­tet mir persönlich Bericht, wenn alle Rebellen ver­nichtet sind. Und ich hoffe für Euch, das dies sehr bald der Fall sein wird!“

Jawohl, Meister Andron!“, rief Sabalan.

Wie gehen die Arbeiten an dem Sternenschiff voran?“, fragte Andron an Vertigor gewandt.

Es ist so gut wie vollendet“, berichtete der Oberste Baumeister. „Dank der Kenntnisse und der Hilfe Eurer Magier, konnten wir viele Schwierig­keiten leicht überwinden. Im Prinzip könnte es in wenigen Wochen starten. Allerdings liegt es in der Natur der Sache, dass wir nicht so etwas wie einen Probelauf durchführen können, bei dem wir starten und wieder landen würden. Die Trägerraketen und die Energien für den Start in den Weltraum sind in ihrer besonderen Beschaffenheit nur einmal vor­handen. Ich versichere Euch jedoch, dass alles bes­tens voran geht.“

Das erwarte ich auch“, sagte Andron. „Der allmächtige Meister Alazar benötigt zwar solch ein Hilfsmittel nicht, wenn er seine Macht entfaltet und das ganze Multiversum beherrscht. Aber wer weiß, wofür Eure Arbeit uns vielleicht noch von Nutzen sein kann? Also weiter mit aller Kraft vor­an! Arbeitssklaven, die Ihr ohne Rücksicht auf Ver­luste verheizen könnt, habt Ihr schließlich mehr als genug für die Bauarbeiten!“

Jawohl, Meister Andron!“, bestätigte Vertigor, als auch dieses Thema für heute abgehan­delt war.

Und nun zu Euch Kadrox“, sagte Andron. „Der allmächtige Meister Alazar hat entschie­den, dass Ihr künftig die Verwaltung des Reiches und die Geschäfte des Königlichen Rats in seinem Na­men führen dürft. Wenn es dessen bedarf, werde ich als Stadthalter Euren Bericht einholen und Euch besondere Anweisungen erteilen. Ansonsten habe ich wichtige­res für den allmächtigen Meister zu tun, als die alltäglichen Belange der Hofbeam­ten per­sönlich zu überwachen. Da Ihr Euch in den vergangenen Monaten als treuer und fleißiger Ge­folgsmann erwiesen habt, fällt Euch diese Aufgabe als Hofmarschall zu. Entsprechende offizielle Voll­machten, meine Gemahlin Königin Sydyana und mich zu vertreten, sind Euch hiermit erteilt.“

Kadrox warf sich ehrerbietig vor Andron auf den Boden und küsste seine Füße. Dann knie­te der Höfling sich hin und küsste seinen schwarzen Dolch, den er einst vor der Machter­greifung Ala­zars heimlich vom Dämon Argrath erhalten hatte und den er nun offen und vol­ler Stolz über den Ge­wändern an seinem Gürtel trug.

Ich kann Euch nicht genug danken“, sagte der Hofmarschall. „Ich werde Euch, mein Stadthalter, und dem allmächtigen Meister ewig und mit allen meinen Kräften dienen!“

So sei es!“, sagte Andron und schloss die Sit­zung. Die Königin und alle anderen Ratsmit­glieder erhoben sich und begaben sich in ihre Gemächer oder andere Räumlichkeiten, um ihren weiteren Aufgaben und Pflichten nachzugehen.

Andron, Sydyana, Oborion und die Schwarz­magier, oder gar der allmächtige Meister Ala­zar selbst, erschienen danach nur noch sehr selten im Königlichen Rat und zu besonderen Anlässen in der Öffentlichkeit. Die bürokratische Verwaltung der Schreckensherrschaft war zur Routine der Be­amten geworden und bei Hofmarschall Kadrox in treuen Händen. Eine seiner ersten Amtshandlungen mit den Vollmachten Alazars bestand darin, mehre­re Dut­zend von Höflingen zu beseitigen, die er frü­her als unliebsame Konkurrenten betrachtet hatte oder die ihm nicht stets in blindem Gehorsam ge­folgt waren. Er entledigte sich ihrer, indem er ihr Todesurteil aussprach und sie mitsamt ihren Frauen und Kindern in eine Kam­mer führen ließ. Dort schnitt er ihnen allen der Reihe nach mit seinem schwarzen Dolch die Kehlen durch. Er bemerkte voller Freude, dass mit jedem Tropfen Blut, den er in die­sem dunklen Ritual vergoss, dämonischen Kräfte in ihm wuchsen.

 

 

 

 

 

22. Kapitel: In den Wäldern

 

 

 

Die Rebellen unter Kommandant Ascolan hatten sich in die großen nördlichen Wälder von Atlantis zurückgezogen, in denen man ihnen unter gewöhn­lichen Bedingungen kaum et­was anhaben konnte. Feindliche Soldaten fanden sich in den Schneemas­sen im Unterholz und zwischen den Bäumen der nordischen Wildnis ohnehin kaum zurecht. Außer­dem ver­stand es die Waldzauberin Zayandra, die Lebewesen des Waldes gegen die Angreifer ein­zusetzen, sodass sie sich gegen wilde Tiere und uralte mystische Waldgeister zu erweh­ren hatten, die sich auf sie stürzten, um sie zu töten. Denn auch die mystischen Wesen, die sich sonst aus den nichtigen Angelegenheiten der Menschen heraus hielten, spürten genau, dass ihr Lebensraum von den Kräf­ten des Bösen wie nie zuvor in seiner Existenz be­droht wurde. Oftmals verirrten die Suchtrupps sich und erfroren oder verhungerten im kalten tiefen Wald. Die ortskundigen Rebellen konnten ihre Feinde leicht aufspüren, in einen Hinterhalt locken und dann niedermachen, um ihre Ausrüstung zu er­beuten. Die Re­bellen wussten allerdings auch, dass Alazar nach ersten Rückschlägen seiner Armee im Norden bald ungleich mächtigere Truppen mit Schwarzmagiern und grausigen Unwesen aussen­den würde. Die Rebellen hatten keine Aussicht, ge­gen diese Bedrohungen lange zu bestehen.

 

Wir müssen den Feind im Herzen von Atlantis treffen“, sagte Pandorax bei einer Lagebe­sprechung der Rebellenführer. „In den Wäldern sind wir Alazars Unwesen auf lange Sicht wehrlos aus­geliefert. Irgendwann werden uns Abertausende von Monstern überrennen. Ich werde deshalb einen magischen Tunnel in den Palast von Atlantium er­schaffen. Unse­re besten Kämpfer können hindurch schreiten und den Feind angreifen.“

Das ist viel zu gefährlich“, sagte Ascolan. „Wenn wir hier nicht mehr bestehen können, wie sollte dann ein kleiner Trupp mitten unter den Feinden in der Hauptstadt etwas aus­richten?“

Gefährlich ist es“, bestätigte der Schwarzma­gier. „Aber eine Chance, etwas auszurichten, be­steht.“

Mit dem Dämonenauge in der Hand von Ala­zar“, sagte Tyrbalt, „sind wir und die ganze Welt verloren. Deshalb bin ich bereit, dieses Vorhaben zu wagen.“

Nun“, sagte Ascolan schwermütig, „die Sonne und die Erde sind ohnehin ihrem Unter­gang ge­weiht. Uns bleibt nichts mehr, als bis zum bitteren Ende weiter zu kämpfen. Letzt­lich ist es wohl gleichgültig, ob wir früher oder später, hier oder in Atlantium sterben, durch Alazar oder durch den Tod der Sonne.“

Dann schicke deine besten Krieger mit“, ver­langte Pandorax. „Wir haben im Wüsten Land be­reits etwas Erfahrung mit den widerlichsten Scher­gen Alazars gesammelt. Nur wenn wir ihn selbst angreifen, besteht die Aussicht, ihn zu vernichten und Atlantis zu befreien. Ich will dem Unhold den Todesstoß versetzen! Aber außer meinen Gefährten brauche ich die Unterstützung weiterer Kämpfer, um die Feinde abzulenken und eine Zeit lang in Schach zu halten. Dann finde ich auch eine Mög­lichkeit, Alazar unschädlich zu machen!“

Dann stellt eine Truppe Freiwilliger zusam­men“, sagte Ascolan. „Ich befürchte jedoch, dass ihr scheitert und euch einem grausamen Tod durch Alazar und die Dämonen auslie­fert.“

Ich bin dabei!“, rief Adama. „Ich habe einen Bruder verloren, an das schäbige Wilde Volk, das jetzt Alazar dient. Wenn wir bei dem Versuch, ihn zu schlagen, wenigstens möglichst viele der Feinde in die ewig schwarze Nacht des Totenreichs mit­nehmen, handeln wir zur Ehre von Atlantis!“

Dann gehen wir das Wagnis ein, solange noch eine letzte Hoffnung besteht“, sagte Tyr­balt.

 

Kommandant Ascolan wollte bei dem Großteil sei­ner Rebellen im nördlichen Wald bleiben und so­mit musste Adebar sich schon bald nach ihrem Wiedersehen erneut von seinen El­tern und seiner Schwester verabschieden, als man sich auf einer schneebedeckten Lich­tung für die Reise durch den magischen Tunnel bereit machte.

Wird es dabei wieder eine Zeitverschiebung geben?“, fragte er Pandorax.

Ja“, sagte der Schwarzmagier. „Sie wird drei Tage betragen. Diesmal hatte ich genug Zeit, den Übergang in Ruhe vorzubereiten. In den Verliesen der schwarzen Festung musste es schnell gehen und die Bedingungen im Wüsten Land wirkten sich zudem auf den Zauber aus, deshalb kam es spontan zu unserem etwas längeren Zeitsprung von drei Monaten in die Zukunft. Bewusst eine längere Zeitversetzung herbeizuführen, sei es in die Vergangen­heit oder Zukunft, ist hingegen äußerst schwierig und gefährlich. Bereits ein gewöhnlicher magischer Tunnel ist nicht ganz ungefährlich und erfordert einen enormen Aufwand an magischer Energie. Deshalb ist die Zeitversetzung dabei mög­lichst klein zu halten, um größere Gefahr zu ver­meiden. Wir werden also, wenn wir gleich durch den magischen Tunnel treten, drei Tage später im Palast von Atlantium erscheinen.“

Pandorax erhob die Hände und wirkte den Zau­ber, der den magischen Tunnel öffnete. Den Ge­fährten hatten sich Adama und dreißig weitere Krieger der Rebellen angeschlos­sen. Als der Durchgang groß genug war, traten sie nach und nach hindurch. Dabei zöger­ten viele der Männer zunächst bei dem Gedanken, sich der unbekannten Schwarzen Ma­gie auszuliefern, doch schließlich bewegten sich alle Freiwilligen in die silbern und violett glitzernden Zauberwirbel und verschwan­den von der Lichtung.

Unmittelbar nachdem Pandorax als letztes hin­durch geschritten war und der magische Tunnel sich wieder zu schließen begann, löste sich plötz­lich die junge Alena aus der großen Gruppe der umstehenden Zuschauer und lief auf die kleiner werdende Öffnung zu.

Verzeiht mir!“, rief das blonde Mädchen noch, als es ein letztes Mal zu seinen schockier­ten Eltern zurückblickte. „Ich muss mit meinen Brüdern ge­hen und ihnen helfen!“

Dann sprang sie durch den dünnen Spalt und war gleichzeitig mit den letzten Zauberwir­beln ver­schwunden.

Jetzt haben wir alle unsere Kinder verloren!“, rief die Mutter entsetzt und warf sich wei­nend in die Arme des Vaters.

Wer weiß“, sagte Kommandant Ascolan trau­rig und blickte finster in den dunklen und eis­kalten Wald. „Vielleicht ergeht es ihnen besser als uns.“

 

Am nächsten Tag stürmte eine Armee von dreitau­send Unwesen die nördlichen Wälder. Mächtige Schwarzmagier hatten die Verstecke der Rebellen aufgespürt und den Wald mit Feuerzauber ange­zündet, sodass die flüchtigen Menschen bald von allen Seiten von ge­waltigen Brandherden einge­schlossen wurden, die sich in immer engeren Feu­erkreisen um sie zusammen zogen. Als die Stand­orte der Rebellen abgebrannt und viele Kämpfer in den Flammen qualvoll umgekommen waren, trie­ben die Unwesen die überlebenden Men­schen auf einem Platz zusammen, um über sie herzufallen.

Kommandant Ascolan wollte seine Frau und seine letzten Krieger verteidigen und tötete mit sei­nem Breitschwert wie ein Berserker noch über zwanzig Fuchs- und Wolfsmänner. Aber dann musste er hilflos mit ansehen, wie ein riesiges schwarzes Bärenunwesen ihm Adele entriss und sie mit seinen Tatzen in der Luft zerriss. So­gleich schlug der Bär seine Zähne blutrünstig in den Schädel und in die zerfetzten Glieder, um seine Beute zu fressen. Ascolan wurde von mehreren Unwesen von allen Seiten gleichzeitig angefallen. Irgend­wann blutete er aus unzähligen Wunden und konnte die wilde Übermacht nicht mehr ab­wehren. Ein Wolf biss ihm die Kehle durch und er wurde bestialisch zerfleischt.

Die Schwarzmagier des Alazar schwebten über den verkohlten und blutigen Massen der verbrann­ten und abgeschlachteten Menschen. Sie konnten General Sabalan und ihrem allmächtigen Meister zufrieden melden, dass die Aufständischen restlos vernichtet waren.

 

 

 

 

 

23. Kapitel: Der Meister naht

 

 

 

Der Schwarzmagier Alazar betrachtete das Dämo­nenauge. Es war ein runder dunkler Stein, etwa so groß wie eine Faust. Trotzt seiner seltsamen glatten Oberfläche, wirkte es eigentlich recht unscheinbar, wenn man nicht wusste, dass es unvorstellbare schwarzma­gische Kräfte in sich barg. Alazar wuss­te jedoch ganz genau, dass diese magische Waffe viele Millionen von Jahren alt war und die Energi­en von unzähligen zerstörten Galaxien in sich trug. Jeder Magier konnte es spüren, dass die böse Ur­kraft des Multiversums nir­gends stärker gebündelt war als in diesem uralten Stein. Alazar wusste auch, dass mit dem Ende der dunkelroten Sonne und mit der Zerstörung dieses Sonnensystems und die­ser Galaxie die unendliche Herrschaft des abso­luten Bösen anbrach. Und er, in dessen Hand diese magische Waffe lag und der ihre dunkle Energie für immer entfesselte, sollte dann ewiglich herr­schen und das ganze Multiversum in Dunkelheit und Verderben stürzen. Alazar war längst kein Mensch mehr und auch mit keinem anderen Schwarzmagier der sterbenden Erde zu verglei­chen. Er war viel mächtiger als alle Magier und alle Dämonen des Multiversums zusammen, wenn er über das finstere Dämonenauge verfügte. Er war bereits ein reines Gefäß der bösen Urkraft, wie das Dämonenauge selbst, und der nahen­de Tod der blutroten Sonne würde ihn endgültig zum unsterb­lichen und allmächtigen Voll­strecker der bösen Ur­kraft machen, zu einer ewigen dunklen Gottheit. Das Dämonenauge leuchtete in seiner Hand auf und wurde von knisternden Zauberblitzen umfan­gen. Alazar spürte, wie die Energien dieser ster­benden Galaxie in das magische Artefakt hinein flos­sen und seine dunklen Kräfte immer weiter steigerten. Der Schwarzmagier triumphierte, denn er wusste, dass er bald am Ziel seiner Jahrhunderte langen magischen Studien, all seiner grausamen Kämpfe und all seiner finsteren Bestrebungen war: Unendliche Macht!

 

Der magische Tunnel öffnete sich irgendwo in den leeren Tiefen der Palastgänge. Die Re­bellen traten heraus und stellten fest, dass sie noch nicht von den Feinden bemerkt wor­den waren. Die Magier Pandorax und Tyrbalt webten sogleich einen mäch­tigen Schutz­zauber vor unerwünschter Entdeckung um alle Kämpfer. Da der alte Zauberer Tyrbalt das Palastlabyrinth am besten kannte, führte er die Ge­fährten in einen Bereich, den vermutlich seit vielen Jahren niemand betreten hatte. Hier konnten die Rebellen zunächst unbemerkt ausharren, ein klei­nes Lager errichten und ihr weiteres Vorgehen pla­nen.

Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Felarion. „Es war doch wohl nicht unser Plan, dass wir uns hier in diesen alten Gängen vor Alazar verstecken und früher oder später verhungern.“

Keineswegs“, sagte Pandorax. „Allerdings sollten wir das Labyrinth nutzen, um die beste Möglichkeit zum Angriff zu ersinnen. Von hier aus können wir die Lage erkunden.“

Ich denke“, sagte Zayandra spöttisch, „unser großer Anführer benötigt gar keinen Plan. Er kann sich auf sein Genie verlassen und uns dabei im Zweifelsfall alle gnadenlos verhei­zen. Sollten wir wider Erwarten scheitern, wird er einfach fliehen und sich nicht mehr um uns oder um Atlantis sche­ren!“

Nur gemeinsam haben wir eine Aussicht auf Erfolg“, betonte Pandorax. „Lasst uns also in Ruhe einen Plan fassen, der die Rebellion zum Sieg führt.“

Wenn uns nicht vorher Alazar oder seine Schergen hier aufspüren“, sagte Felarion.

Ich kann euch den Weg zum Zentralbereich des Palastes weisen“, sagte Tyrbalt. „Dort dürfte sich Alazar mit seinen mächtigsten Handlangern aufhalten.“

Ja“, sagte Pandorax. „Ich spüre ganz deutlich seine abscheuliche Präsenz in der Nähe. Aber er scheint uns dank des Schutzzaubers seinerseits noch nicht bemerkt zu haben. Vermutlich ist er völ­lig vom Dämonenauge besessen, sodass er in sei­nem Machtwahn kei­ne besondere Aufmerksamkeit an kleine Störenfriede wie uns verschwendet. Die­se Schwäche müssen wir ausnutzen, um ihn zu überraschen und ihm, wenn irgend möglich, den Todesstoß zu versetzen!“

Wir müssen jedoch schnell handeln“, sagte Tyrbalt. „Lage wird Alazar unsere Anwesen­heit im Palast nicht mehr verborgen bleiben. Und wenn er uns bemerkt, ist es mit dem Überraschungsmoment vorbei und er wird keinen aussichtsreichen Angriff zulassen.“

Dann sammelt eure Kräfte“, sagte Pandorax, insbesondere an die magisch begabten un­ter den Gefährten gewandt.

Einige Zeit später brachen die Rebellen unter Führung von Pandorax und Tyrbalt auf. Sie wan­derten durch die verzweigten Gänge des Palastla­byrinths und näherten sich vorsichtig den zentralen Bereichen der Herrschaftsgemächer und Regie­rungssäle. Die Brüder Ade­bar und Adama bildeten die Nachhut. Sie mussten ihre kleine Schwester be­schützen, de­ren Anwesenheit sie nach der Reise durch den magischen Tunnel bestürzt zur Kenntnis genommen hatten. Alena würde bei den bevorste­henden Gefahren eine zusätzliche Belas­tung dar­stellen. Sie konnten das Mädchen aber auch nicht allein oder unter Bewachung im Versteck zurück­lassen, denn niemand wusste, ob später noch Gele­genheit bestand, es dort wieder abzuholen, oder wann die grausigen Handlanger des Alazar es auf­spüren mochten. Am sichersten war es, wenn alle unter dem Schutzzauber zusammen blieben. Au­ßerdem weigerte Alena sich, vom Kampf gegen die Feinde ausgeschlossen zu werden, und wollte ihren Brüdern tapfer beistehen.

Tyrbalt führte die Rebellen auf dem sichersten Weg in unmittelbare Nähe des Thronsaales und der Schutzzauber der Magier verhinderte, dass man sie bemerkte, selbst wenn feindli­che Soldaten und Dä­monen in Sichtweite waren. Die Leute schlichen sich mit gezückten Waffen in einen Nebenraum des Thronsaales und gingen an eine Wand gelehnt in De­ckung.

Dort findet eine größere Versammlung statt“, flüsterte Tyrbalt, der die Vorgänge im Thron­saal mit magischen Sinnen wahrnahm. „Ich spüre, dass der Königliche Rat, mächtige Schwarzmagier und Dämonen anwesend sind.“

Und Alazar?“, fragte Felarion leise.

Noch nicht“, sagte Tyrbalt. „Aber die Atmo­sphäre und die Angst im Thronsaal deuten dar­auf hin, dass seine Untergebenen ihn erwarten.“

So ist es“, bestätigte Pandorax flüsternd. „In abgrundtiefer Furcht erwarten sie ihren all­mächtigen Meister, der gleich in dem Saal erscheinen und auf dem Obsidianthron Platz nehmen wird, um das Wort an sein Gefolge zu richten. Ich spüre sein Na­hen. Und das ist unsere einzige Chance, mit ganzer Kraft zuzuschlagen.“

 

 

 

 

 

24. Kapitel: Dämonische List

 

 

 

Der allmächtige Meister Alazar erschien im Thron­saal von Atlantium, schwebte erhaben zu dem Ob­sidianthron und setzte sich. Er blickte seine Unter­tanen an, die sich bei seinem Eintreffen alle ehr­furchtsvoll vor ihm auf den Boden geworfen hat­ten, und erhob mit der rechten Hand das allmächti­ge Dämonenauge.

Erhebt euch“, befahl Alazar, „um mich und die dämonische Waffe meiner Allmacht zu se­hen und anzubeten!“

Die Gefolgschaft tat, wie ihr geheißen, und alle beobachteten gebannt, wie der Schwarz­magier den glatten runden Stein, von dem unvorstellbare dunkle Energien ausströmten, auf einen kleinen Al­tar vor dem Thron legte.

Die Zeit ist reif!“, sprach Alazar. „Unsere bis­herigen Kriegspläne gegen die südlichen Rei­che sind überflüssig geworden. Heute werde ich mit dem Dämonenauge zu einer unsterb­lichen Gottheit verschmelzen. Und ihr habt die Ehre, diesem magi­schen Ritual von kosmi­schem Ausmaß beizuwoh­nen. Ich werde die Sonne und die Galaxie zerstö­ren, auf dass die ewige Herrschaft der bösen Ur­kraft anbreche. Alles Leben in der gesamten Gala­xie wird ausgelöscht, bis auf mich und meine treu­en Diener in diesem Saal. Wir sind die Armee des absoluten Bösen! Wir werden dem Multiversum ewige Dunkelheit bringen!“

Lauter tosender Applaus und wilde Jubelrufe auf den allmächtigen Meister entbrannten im Thronsaal von Atlantis. Minutenlang genoss Alazar die fanatischen Beifallsbekundungen seiner Scher­gen. Als der Schwarzmagier die Untergebenen dar­aufhin mit einem Wink wie­der zur Ruhe brachte und absolute Stille einkehrte, traten die wichtigsten Unterführer her­vor, darunter Argrath, Andron und Oborion sowie weitere mächtige Schwarzmagier. Sie knieten sich in einem Halbkreis um den Altar mit dem Dämonenauge und ihren Meister auf dem Obsidianthron. Denn nun wollten sie das mystische Ritual seiner Gottwerdung durch­führen und dabei die rote Sonne zum Erlöschen bringen und die gan­ze Galaxie vernich­ten.

 

Plötzlich schnellte jedoch der Hofmarschall Ka­drox hervor und zog den schwarzen Dolch. Er stürzte sich auf den Meister und wollte ihm die Kehle durchschneiden. Kadrox wurde von un­glaublichen dämonischen Kräften angetrieben und verpasste Alazar tatsächlich einen tiefen Schnitt in den Hals, an dem jeder andere sofort gestorben wäre. Doch Alazar packte den Angreifer wütend, während sich seine Wunde langsam wieder schloss. Der Schwarzmagier drückte Kadrox mit einer Hand die Kehle zu und hob ihn hoch. Er entwen­dete ihm den schwarzen Dolch und zerstäubte die magische Waffe zu Nichts. Dann ließ er den ge­scheiterten Attentäter vor sich im Raum schweben. Der Hofmarschall schrie ent­setzlich vor höllischen Schmerzen, die ihm der wütende Schwarzmagier zufügte, während er seine Krallen und seine vor unbändigem Hass und entfesseltem Todestrieb glü­henden Augen auf ihn richtete. Die Anwesenden im Thronsaal sahen, wie Kadrox durch die Einwir­kungen der Schwarzen Magie grausam die Augen ausgequetscht wurden, ihm dann lang­sam die Haut abgezogen und nach und nach sein ganzer bluttrie­fender Leib grauenhaft verbeult und zersetzt wur­de. Die Schwarze Magie und der böse Wille des Alazar ließen die Schmerzen des Opfers dabei auf das Tausendfache anwachsen, bevor seine Überres­te in der Luft in schwarzen Flammen verbrannten und nichts mehr von ihm zurückblieb.

Auch diese Fliege ist zertreten“, sagte Alazar und wollte sich wieder seinem Dämonenau­ge zu­wenden, um das dunkle Ritual seiner Gottwerdung fortzusetzen. Doch das Dämo­nenauge war nicht mehr an seinem Platz. Zum grenzenlosen Entset­zen des Schwarzma­giers war das magische Arte­fakt vom Altar verschwunden.

 

Der Dämon Argrath lachte bösartig. Triumphierend hielt er das Dämonenauge in der Hand und blickte höhnisch auf seinen ehemaligen Meister hinab.

So leicht lassen sich die Menschen täuschen“, zischte er. „So leicht lassen sie sich von Hass und Gier und Machtfantasien vollkommen blenden und übermannen.“

Das ist dein Ende, schäbiger Dämon!“, wütete Alazar. „Dir ergeht es wie all meinen Fein­den!“

Dazu warst du etwas zu leichtsinnig“, verspot­tete ihn der Dämon. „Mein Geschöpf konnte dich leicht ablenken. Diese List war von Anfang an ge­plant und genau auf diesen Moment ausgerichtet. Jetzt werde ich dich in die Welt der Dämonen hin­ab ziehen, in der du ewig leiden darfst. An deiner Stelle werde ich die Herrschaft über das gesamte Multiversum an­treten!“

 

 

 

 

 

25. Kapitel: Kampf im Thronsaal

 

 

 

Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich“, sagte Argrath zu dem Gefolge im Thronsaal, während Alazar sich unter den höllischen Qualen, die ihm der Dämon magisch zufügte, am Boden wand. Der Königliche Rat, die weiteren Schwarzmagier und das Wilde Volk, die zuvor Alazar gedient hatten, mussten sich entscheiden. Sie waren noch völlig schockiert von dem Angriff durch Hofmarschall Kadrox und dem Verrat des grässlichen Dämons, der jetzt das allmächtige Dämonenauge in der Hand hielt. Wenn ihr Meister aber geschlagen war, dann blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich ei­nem neuen Machthaber zu unterwer­fen. Und das war jetzt offensichtlich der höhnisch grinsende Dä­mon Argrath.

Während die Anwesenden im Thronsaal noch unschlüssig und verwirrt angesichts der dra­matischen Entwicklungen waren, öffnete sich plötzlich ein Tor und die Rebellen unter Füh­rung von Pan­dorax stürmten herein.

Wie ich sehe“, rief der Schwarzmagier, „bist du hier jetzt der Herr im Haus, Dämon! Du hast meinen alten Freund Alazar überlistet. Doch jetzt rate ich dir dringend, uns das Dä­monenauge zu überlassen. Mach dich mit Alazar davon in deine Welt der Dämonen. Wenn du uns die magische Waffe aushändigst, lassen wir dich ziehen! Andern­falls ist deine Machtsucht auch dein Ende!“

Ihr beliebt zu scherzen“, erwiderte Argrath spöttisch. „Ich habe euch schon einmal im Wüsten Land festgesetzt und mit dem Dämonenauge bin ich unbesiegbar! Unterwerft euch meiner Allmacht oder seid des Todes!“

Zum Angriff!“, rief Pandorax wütend und deutete auf Argrath. Die Rebellen stürmten los. Drei Männer wollten den Dämon mit Schwertern angreifen, doch der fegte sie mit einer beiläufigen Handbewegung beiseite und sie verbrannten in schwarzem Feuer. Jetzt richte­te Pandorax selbst einen magischen roten Feuerstrahl auf den Gegner, welchen dieser je­doch mit einem Schutzschild ab­wehrte, während er schwarze Feuerstrahlen auf die Rebel­len sandte. Mehrere weitere Männer fielen den dämonischen Strahlen zum Opfer und ver­brannten auf dem Boden des Thronsaales. Die Waldzauberin Zayandra aber richtete nun gewalti­ge grüne und weiße Blitze auf den Feind, sodass dieser einen Großteil seiner Auf­merksamkeit und seiner Kräfte aufbringen musste, um sich gegen die Angriffe von Pan­dorax und der Waldhexe zu ver­teidigen.

Indessen standen Tyrbalt und die anderen Ge­fährten den ehemaligen Schergen des Ala­zar unter Führung von Stadthalter Andron gegenüber.

Ihr wart Handlanger Alazars!“, rief der Zaube­rer ihnen zu. „Doch ihr seht, wie es dem Un­hold ergangen ist. Wer der Macht des Dämonenauges dient, wird betrogen und vernichtet. Schwört den Kräften des Bösen ab. Helft uns, dem Dämon diese schreckliche Waffe zu entwenden. Nur so könnt ihr überleben! Nur so können wir Atlantis und die Menschheit ret­ten!“

Andron und Oborion wichen etwas zurück und besprachen sich kurz mit den anderen Schwarzma­giern, die im Dienste Alazars gestanden hatten.

Gut!“, rief Andron schließlich Tyrbalt und den Gefährten zu. „Wir kämpfen mit euch gegen diesen Verräter. Schlachtet den schändlichen Dämon!“

Daraufhin stellten sich alle Magier und Kämp­fer im Saal gegen Argrath, der hinter seinem magi­schen Schutzschild das Dämonenauge festhielt. Gegen Alazar und sein Gefolge hätte er leichtes Spiel gehabt, ebenso wie gegen Pandorax und die Gefährten, hätte ihn nur eine dieser Gruppen ange­griffen. Doch gegen ihre vereinten Kräfte, die jetzt von allen Sei­ten auf ihn einschlugen und mit magi­schen Energien zu ihm durchdringen wollten, um ihn zu zerschmettern, geriet der Dämon in ernst­hafte Bedrängnis. Noch konnte er die Mächte des Dämonenauges nicht vollständig kontrollieren und einsetzen. Aber da es in seinem Besitz war, hatte er sein wichtigstes Ziel bereits erreicht. Um diese Schmeißfliegen konnte er sich später kümmern, wenn er mit der Allmacht des Dämonenauges ver­schmolz und alle dunklen Energien der bösen Ur­kraft entfesselte.

Den lächerlichen Widerstand werde ich euch bald mit ewigen Schmerzen vergelten!“, rief Ar­grath bösartig. „Ihr dürft euch schon darauf freuen, wenn ich Atlantis bald als dunkler Gott des Multi­versums wieder heimsuche und euch diese Rebelli­on angemessen heim­zahle!“

Der Dämon ergriff den kraftlosen, geschunde­nen Leib von Alazar und öffnete einen silbern glit­zernden Spalt in der Luft. Er floh mit dem Dämo­nenauge durch den Spalt und zog sein Opfer in die Welt der Dämonen hinab.

 

 

 

 

 

26. Kapitel: Frieden

 

 

 

Sobald Argrath mit Alazar aus Atlantis geflohen war, verschwanden auch alle übrigen Dä­monen, die Alazar für seine Zwecke beschworen hatte, denn ohne den Meister mussten sie in die Welt der Dämonen zurückkehren. Die uralten grausigen Un­wesen, die Alazar mit Hilfe des Dämonenauges ge­rufen und beherrscht hatte, verließen ebenfalls wie­der die Ge­filde der Menschen und zogen sich weit in die nördliche Wildnis der vereisten Polarregion zurück. Die Macht Alazars und des Dämonenauges über die Schwarzmagier und das Wil­de Volk war mit Verschwinden des gescheiterten Meisters und das magischen Artefakts ebenfalls erloschen. Die verschiedenen Völker und Gruppen, die sich im Verlauf der Kämpfe und der letzten dramatischen Ereignisse in Atlantium zusammengefunden hat­ten, hielten schließlich eine Versammlung ab, um zu verhandeln und über die Zukunft des Rei­ches zu beraten.

Alazar ist unschädlich gemacht“, sagte Pan­dorax. „Argrath haben wir gemeinsam in die Flucht geschlagen und er kann vorerst nicht aus seiner Welt der Dämonen nach Atlantis zurückkeh­ren. Aber er hat das Dämonenauge und dessen un­glaubliche Macht wird er sich früher oder später zu eigen machen. Wenn er diese Macht besser nutzen kann, sind auch Atlantis und die Menschheit wie­der in größter Gefahr.“

Wir brauchen hier geordnete Verhältnisse“, sagte Tyrbalt. „Zum Glück hat unsere junge Köni­gin überlebt. Sie war, wie auch der ganze Königli­chen Rat, in der Gefangenschaft von Alazar. Da die Mitglieder des Rates gegen seine Übermacht und seine Schergen nichts ausrichten konnten, tragen sie keine persönliche Schuld an den Gräueltaten, die unter Ala­zars Schreckensherrschaft an der Be­völkerung verübt wurden.“

Unsere Kapitulation gegenüber Alazar beruhte auf dem Gedanken, dass der Bevölkerung damit möglichst wenig Leid geschehen sollte“, erklärte Königin Sydyana. „Andernfalls hät­te der Unhold alle Menschen in Atlantium vermutlich sogleich abgeschlachtet oder zu Un­toten gemacht. Die Ar­mee des Alazar war übermächtig, deshalb erschien uns die Unter­werfung als einzige verzweifelte Hoffnung für die Menschen. Wir haben allerdings nicht das ganze verheerende Ausmaß erahnt, das seine Gewaltherrschaft bedeuten würde. Das fürch­terliche Leiden der Bevölkerung durch seine Sol­daten und seine schrecklichen Dä­monen mussten wir im Palast hilflos miterleben.“

Als Königlicher Rat waren wir willenlose Ma­rionetten des dunklen Herrschers“, bestätigte Ge­neral Sabalan. „Hätten wir offenen und letztlich völlig sinnlosen Widerstand geleistet und uns somit alle selbst geopfert, wäre es dem Volk vermutlich noch schlechter ergan­gen.“

Wie bereits gesagt“, erklärte Tyrbalt. „Ich plä­diere dafür, die Königin und ihren Königlichen Rat wieder als rechtmäßige Regierung von Atlantis an­zuerkennen und von jeder Schuld während der Ty­rannei Alazars freizusprechen. Was die Beurteilung einzelner Hofbeamter und möglicher Verfehlungen betrifft, wie sie uns etwa über den verstorbenen Hofmarschall Kadrox zu Ohren gekommen sind, so sollten die Königin und ihre Getreuen dies künf­tig in aller Ruhe untersuchen und wenn nötig ent­sprechende Entscheidungen treffen. Zunächst gilt es jedoch, die neue Lage zu überblicken, das Volk zu beruhigen und die Verwundeten und die Kran­ken zu versorgen. Wir müssen alle Toten begraben und die Hauptstadt nach der verheerenden Zerstö­rung wieder aufbauen.“

So ist es“, sagte Königin Sydyana. „Und ich berufe hiermit Tyrbalt in den Königlichen Rat. Ich ernenne ihn zu meinem Obersten Berater.“

Was immer in meiner Macht steht“, sagte der alte Zauberer, „will ich gerne für Euch und zum Wohle des Reiches tun, solange es nötig erscheint.“

Ich spreche für das Wilde Volk und die Gilde der Schwarzkünstler“, meldete sich Andron zu Wort, der neben dem alten Fuchsschamanen Obori­on saß. „Wie Ihr wisst, führte ich den Feldzug Ala­zars und wurde von ihm zum Stadthalter von At­lantis gemacht. Sicherlich war ich unter dem bösen Einfluss von Alazar ebenso wie auch die anderen Schwarzkünst­ler und das glorreiche Wilde Volk. Er hat uns mit dem Dämonenauge alle in seinen finste­ren Zauberbann geschlagen und wie den Königli­chen Rat als willenlose Werkzeuge be­nutzt. Nach der Befreiung stehen wir dem Volk von Atlantis jetzt mit den besten Absichten gegenüber und wol­len den Frieden gewährleisten. Wie das Schicksal es will, bin ich be­reits mit Königin Sydyana ver­mählt. Indem wir diese Verbindung bekräftigen und als König und Königin von Atlantis herrschen, sichern wir den Frieden zwischen dem edlen Wil­den Volk und dem Volke von Atlantis.“

Andron unser Führer sein als Silberner Fuchs“, sagte Oborion mit kehligen Lauten, aber in menschlicher Sprache. „Glorreiches Wildes Volk niemals war so vereint und so stark wie heute. Und da wir jetzt befreit von dem bösen dunklen Herr­scher, wir folgen dem Silbernen Fuchs und seiner guten Frau als Königspaar von Atlantis!

Eure Verbrechen unter Alazar suchen ihres­gleichen“, sagte die Königin. „Wie könnten wir das jemals vergessen? Und wie könnten wir jemals si­cher sein, dass Ihr keine finsteren Absichten mehr hegt?“

Wie bereits angeführt“, sagte Andron, „wur­den wir von der bösen Macht des Alazar ver­blendet und beherrscht, von der wir dann zum Glück wie­der befreit wurden. Hierin erging es uns ganz ge­nauso wie Euch und Eurem Königlichen Rat. Im Kampf gegen den schäbi­gen Dämon Argrath haben wir unter gefährlichen Umständen bewiesen, dass wir tatkräftig an Eurer Seite stehen. Wir haben uns gegen die Mächte des finsteren Dämonenauges be­währt. Mit dem historischen Frieden unserer Völ­ker und gemeinsamer gerechter Herr­schaft in At­lantis sind alle unsere Wünsche erfüllt!“

Einverstanden“, sagte Sydyana, als sie keinen Widerspruch von Tyrbalt oder ihren ande­ren Bera­tern vernahm. „Unter diesen Bedingungen werden wir den Frieden sichern und gemeinsam Atlantis regieren.“

 

In einer kurzen Pause der stundenlangen Sitzung, in der alle möglichen politischen Ange­legenheiten erörtert wurden, kam Andron kurz zu seinen Ge­schwistern, die in einer der hinteren Reihen in dem Versammlungsraum saßen. Bei dem Kampf im Thronsaal hatten sich die beiden Brüder Adama und Adebar im Hintergrund gehalten, um die junge Alena zu schützen. Später hatten sie dann ihren lange verschollenen und längst tot geglaubten Bru­der erkannt, doch sie konnten immer noch nicht glauben, in welcher Rolle sie ihn bei Hofe wieder trafen. Für ein längeres vertrautes Gespräch gab es bisher keine Gelegenheit.

Es entwickelt sich alles zum Besten“, sagte Andron freundlich. „Wer hätte je gedacht, dass wir uns nach all den Jahren unter solchen Umständen wiedersehen?“

Und wer hätte je gedacht“, sagte Adebar, „dass einer aus unserer Familie einst den Obsi­dianthron von Atlantis besteigt?“

Hast du etwas von unseren Eltern gehört?“, fragte Adama.

Ich fürchte“, sagte Andron ernst, „die Rebel­len in den nördlichen Wäldern sind alle gefal­len. Das berichtete mir vorhin General Sabalan. Ich wollte abwarten, bis es keinen Zweifel mehr gibt. Aber, ehrlich gesagt, wenn sie dabei waren, besteht leider keine große Hoff­nung.“

Sie haben bis zuletzt tapfer gekämpft“, sagte Adama, während Alena zu weinen anfing und sich an die Brust des großen Bruders drückte. „Hoffent­lich ging es schnell.“

Mit ihrem mutigen Einsatz haben sie uns und Atlantis größte Ehren erwiesen“, sagte An­dron. „Wir werden ihr Andenken bewahren. Ich hoffe doch, ihr bleibt auch bei Hofe, denn wir brauchen jede Unterstützung. Für euch wird in Atlantium im­mer gut gesorgt sein.“

Ja, ich denke, wir bleiben“, sagte Adebar. „Wir müssen die Ereignisse wohl erst einmal ver­arbeiten. Der Norden ist in der Todeskälte prak­tisch unbewohnbar und unser Anwesen ist längst zerstört. Hier sind auch Tyrbalt und meine anderen Gefährten. Es gibt wahrlich noch viel zu tun und dem Reich und der Welt drohen noch viele Gefah­ren. Doch wer weiß, was die Zukunft bringt?“

Ich bin jedenfalls froh“, sagte Andron, „dass ihr in meiner Nähe seid. Leider bleibt bei mei­nen Aufgaben wenig Zeit. Aber wir sehen uns später. Ich freue mich darauf, euch meiner Königin vorzu­stellen.“

Der junge Schwarzmagier streichelte der klei­nen Alena noch über den Arm und begab sich dann mit einigen Vertrauten wieder zu den Beratungen. Da die wichtigsten Punkte der Ver­sammlung be­reits abgehandelt und die wichtigsten Endschei­dungen von allgemeinem In­teresse getroffen wa­ren, verließen die drei Geschwister bald die Sit­zung und begaben sich in ihre Gastgemächer. Als Adebar später alleine in seinem Bett lag, dachte er lange an sei­ne Eltern und die Geschehnisse seit dem Verschwinden von Andron. Nun begann die Zeit der Trauer. Er ließ den Tränen freien Lauf und weinte bitterlich, bis er in tiefen, friedlichen Schlaf sank.

 

 

 

 


 

27. Kapitel: Flucht von

der sterbenden Erde

 

 

 

Einige Monate nach der Befreiung von Atlantis spitzte sich die Lage erneut dramatisch zu. Alle Anzeichen deuteten auf ein baldiges Erlöschen der dunkelroten Sonne hin, wenn auch niemand wuss­te, ob dies der natürliche Lauf der Dinge war oder ob es mit Argrath und dem Dämonenauge zusam­menhing. Die Instrumente der Wissenschaftler und die Wahr­nehmungen der Magier und Schamanen ließen keinen Zweifel daran, dass, selbst wenn die Sonne vielleicht noch etwas länger existierte, alles Leben auf der Erde in wenigen Wo­chen vernichtet sein würde. Der Königliche Rat beschloss deshalb, den geheimen Plan mit dem Sternenschiff so schnell wie möglich in die Tat umzusetzen.

Der Hochadel von Atlantis mit ausgewählten Bediensteten, hochgestellte Vertreter des Wil­den Volkes und die Magier der Gilde der Schwarz­künstler begaben sich als Passagiere an Bord des Schiffes. Die Gefährten um Pandorax erhielten ebenfalls Plätze an Bord, da sie wesentlich zur Be­freiung von Argrath und der finsteren Macht des Dämonenauges beige­tragen hatten.

Vor der übrigen einfachen Bevölkerung wurde das unmittelbar bevorstehende Ende des Lebens in diesem Sonnensystem ebenso wie der geheime Fluchtplan offiziell weiter ge­heimgehalten. Da in­zwischen jedoch immer mehr Leute eingeweiht wurden und sich die Gerüchte spätestens mit dem Aufruf an die Auserwählten, an Bord zu kommen, vielfach weiter verbreiteten, sprach man bald in ganz Atlantium über die dramatischen Vorgänge. Kurz vor dem Start des Sternenschiffs belagerten wutentbrannte Menschenmassen und Wildes Volk den Palast von Atlantium. Hunderttausende wollten auch mitgenommen und vor dem sicheren Tod auf der Erde gerettet werden oder aber das Raumschiff zerstören und die Privilegierten totschlagen.

Wäre noch mehr Zeit geblieben, dann wäre es bei der Verteidigung des Palastes und der Nieder­schlagung der Aufstände sicherlich zu einem Ab­schlachten und Blutvergießen ge­kommen, das dem Feldzug und den Gräueltaten des Alazar in nichts nachgestanden hät­te. Da das Sternenschiff jedoch sogleich aufbrechen musste, schirmten die Zaube­rer kur­zerhand alle Zugänge mit einem magischen Schutzschild gegen Angriffe ab, bis alle recht­mäßigen Passagiere mit ihrem genehmigten Hab und Gut an Bord waren. Dann wurden alle Türen ge­schlossen und die Startraketen gezündet.

Das gewaltige Sternenschiff schnellte mit enor­mer Geschwindigkeit von seiner Startrampe in der geheimen Fertigungshalle empor. Es flog durch die zu diesem Zwecke vorbereitete Öffnung aus den großen unterirdischen Höhlen von Atlantium und weiter nach oben in den kalten Himmel. Dabei wurden durch herabstürzende Trümmer an den Sei­ten der Öffnung, die sich wie ein riesiges Tor im Boden auftat und durch den Palast führte, und durch den mächtigen Feuerstoß der Startraketen große Teile des alten Königspalastes zerstört.

Die Reisenden waren größtenteils in ihren Ka­binen angeschnallt, um die Belastungen und Ge­fahren des Starts möglichst unversehrt zu überste­hen. Der Kommandant und die Steu­erleute und weitere Männer der Besatzung konnten jedoch von der Brücke und durch an­dere große Schiffsfenster zurückblicken. Sie sahen hinab auf einen großen, schwarzen Krater inmitten von Atlantium, den ihr Start zurückgelassen hatte. Dann entfernten sich die vielen Dächer, Straßen und Plätze der Haupt­stadt schnell unter ihnen und sie sahen die von tie­fem Schnee bedeckte Landschaft, die weißen Fel­der, Hügel, Wälder und Gebirge von Atlantis.

Der Austritt aus der Erdatmosphäre ging mit ei­nem gewaltigen Erzittern des Sternenschif­fes ein­her. Es kam jedoch zu keinen ernsthaften Schäden und Atemluft war in ausreichen­dem Maße vorhan­den, wurde von wundersamen Maschinen erzeugt und für die Menschen im Innenraum des Schiffs gehalten. Die Startraketen mit ihren großen ent­leerten Treib­stofftanks wurden abgeworfen und das Raumschiff schwebte nun mit hoher Geschwindig­keit durch den Weltraum. Alle Gerätschaften und Systeme der uralten, wiederbelebten Technologien funktionierten offenbar einwandfrei. Nachdem das Sternenschiff die Erdat­mosphäre verlassen hatte, konnten die Raumfahrer beobachten, wie die zu­nächst große weiß-blaue Erdkugel, von der sie sich schnell entfernten, hinter ihnen immer kleiner wur­de. Ein letztes Mal sahen sie ihren von Leid ge­plagten Heimatplaneten im schwachen Lichte der dem Tode geweihten dunkelroten Sonne. Sie kehr­ten nie zurück.

 

Nachdem die Passagiere die Räumlichkeiten und Gegebenheiten im Inneren des Raum­schiffs voller Staunen erkundet und sich in ihren Kabinen den re­lativ beengten Umständen entsprechend eingerich­tet hatten, fand eine Sitzung des Königlichen Rats mit ausgewähl­ten Gästen in einem Versammlungs­saal statt. Kommandant Mazadon und der Oberste Baumeister Vertigor erklärten den Leuten die wich­tigsten Aspekte der Schiffskonstruktion und der Reiseplanung und gaben Anweisungen für das Ver­halten an Bord des Sternen­schiffes. Dabei galten viele Sicherheitsvorschriften, um nicht die Gerät­schaften des Schif­fes zu beschädigen und insbe­sondere nicht den lebenswichtigen Kreislauf zu stören, der die Versorgung mit Atemluft gewähr­leistete.

Wie lange soll diese Reise Euren Planungen zufolge dauern?“, fragte König Andron, der ge­meinsam mit Königin Sydyana die Sitzung leitete. „Wie lange reichen die Vorräte an Bord und was sind die langfristigen Aussichten der wundersamen Raumfahrt?“

Was die Vorräte betrifft“, erklärte Mazadon, „so sind in den Lagerräumen zunächst genug Le­bensmittel für alle dreitausend Passagiere für etwa ein halbes Jahr vorhanden. Es wird jedoch in ent­sprechenden Hallen Nutzvieh gehalten und in an­deren Hallen wurden Gärten und Gewächshäuser angelegt. Es werden Getreide, Obst und Gemüse angebaut, sodass die Versorgung mit Grundnah­rungsmitteln auf unbestimmte Zeit sichergestellt sein dürfte, wenn unsere Bemühungen der Lebens­mittelproduktion wie geplant verlaufen und langfris­tig erfolgreich sind. Ganz genau ist dies über lange Zeiträume freilich nicht vorher zu sa­gen. Bei den Vorbereitungen und Einrichtungen haben wir uns jedenfalls an die detaillier­ten Aufzeichnungen der Urahnen gehalten, soweit dies mit unseren Mit­teln technisch mög­lich war. Trinkwasser ist in großen Speicheranlagen ebenfalls für ein halbes Jahr vorhan­den. Da jedoch so gut wie kein Wasser den komplexen technisch geregelten Lebenskreis­lauf des Schiffes verlässt und außerdem Milch und Fruchtsäfte produziert werden, sind auch diese Be­dürfnisse zumindest bis auf Weiteres ausreichend zu befriedigen.“

Dennoch“, wandte Sydyana ein, „selbst wenn wir auf wundersame Weise tatsächlich ein halbes Jahr oder länger ohne größere Schwierigkeiten auf dem Schiff überleben, wie soll dann unsere fernere Zukunft aussehen? So beeindruckend diese Tech­nologien der Alten auch sind, sie scheinen mir nicht für die Ewigkeit gemacht. Das Leben auf ei­nem Planeten wie der Erde mit einer natürlichen Atmosphäre und einer kraftvollen Sonne können sie nicht im Entferntesten ersetzen.“

Außerdem werden die Menschen vielleicht nicht lange unter diesen ungewohnten Bedin­gungen die Ruhe bewahren“, sagte General Sabalan. „Es könnte schwer werden, die Ord­nung aufrecht zu erhalten, gerade wenn es bei den Lebensmitteln vielleicht irgendwann doch einmal zu Engpässen kommen sollte.“

Ich teilen diese Bedenken“, sagte Oborion. Die Magie der Alten uns gerettet vor Tod von ro­ter Sonne, aber leerer, schwarzer Weltraum ma­chen Wildem Volk große Angst! Wir fern von Zau­berkräften der lebendigen Erde.

Ist diese Raumfahrt nicht letztlich eine hoff­nungslose und ziellose Reise ins Nichts?“, fragte Andron an den Kommandanten und den Obersten Baumeister gewandt.

Unsere Reise ist nicht völlig ziellos“, sagte Vertigor. „Ein wesentlicher Grund hat vor eini­gen Jahrzehnten ganz entscheidend die geheimen Pla­nungen vorangetrieben und zu dem Baubeginn am Sternenschiff beigetragen. Neben den Aufzeich­nungen über die faszinie­renden alten Raumfahrt­techniken wurde nämlich ein erhaltenes Artefakt dieser Technologi­en selbst entdeckt.“

Der Baumeister holte einen schwarzen Kasten von seltsamer Konsistenz mit glatter Ober­fläche hervor. Er hatte ihn von der Brücke des Raum­schiffs mitgebracht, um ihn den hoch­rangigen An­wesenden bei dieser Sitzung zu präsentieren. Auf den Seiten des geheimnis­vollen Würfels waren sil­berne und goldene Zeichen erkennbar, die viel­leicht einer unbe­kannten uralten Sprache angehör­ten. Gelegentlich leuchteten diese Zeichen auf oder ver­änderten ihre Formen, während Vertigor das seltsame Artefakt in Händen hielt.

Dieses Kästchen enthält genaue Informationen und die Koordinaten für das Ziel einer sol­chen Raumfahrt“, erklärte er. „Unsere Vorfahren haben vor vielen Jahrtausenden offenbar auf unvorstell­bare Weise für den damals noch gleichsam unend­lich weit entfernten Tod der Sonne und der Erde vorgesorgt. Dann gingen ihre hoch entwickelten Kulturen irgendwann unter und ihre machtvollen Technologien waren für viele Zeitalter verloren und vergessen. Dieses Kästchen aber wurde in den Bergwerken von Atlantis wiedergefunden und es ent­hält nicht nur technische Aufzeichnungen, Welt­raumkarten und ähnliches, sondern es ist selbst so etwas wie ein mächtiger kosmischer Magnet. Es weist den Raumfahrern den Weg und lenkt das Sternenschiff dorthin, wo die Menschheit gerettet werden kann.“

Vertigor berührte eine bestimmte Stelle des Kastens. Daraufhin verschob sich ein kleines Ele­ment an der Oberfläche und darüber erschien ein Gebilde aus Licht. Das Hologramm zeigte eine Zy­linderform, die waagerecht im Raum lag und an beiden Enden abgerundet war.

Diese künstliche Welt haben die Magier und Wissenschaftler der Alten erbaut“, sagte Ver­tigor. „Oder vielleicht waren es auch ihre Götter. Sie birgt, den Aufzeichnungen zufolge, einen Raum, der ungefähr so groß ist wie das Königreich Atlan­tis. Wenn der Kasten noch richtig funktioniert und die Koordinaten noch stimmen, dann befindet sich diese Welt an ei­ner Stelle im Weltraum, die wir mit dem Raumschiff in ungefähr einem halben Jahr errei­chen. Der Lebensraum befindet sich dort nicht wie auf der Erde oder einem vergleichbaren Plane­ten an der Oberfläche, sondern vielmehr im hohlen Inneren der Welt. Dort allerdings sollen alle Vor­aussetzungen für das Leben bestens eingerichtet sein. Und schließlich kann sich diese gigantische Spule selbst mit unvorstellbarer Geschwindigkeit durch den Welt­raum bewegen und die fernsten Ga­laxien erkunden.“

Deshalb wissen wir auch nicht“, sagte Kom­mandant Mazadon, „ob sich diese künstliche Welt heute noch an der Stelle befindet, die in den Welt­raumkarten des Kästchens ver­zeichnet ist und die wir mit seiner wundersamen magnetischen Kraft gerade ansteuern. Da jedoch eine besondere Ver­bindung zwischen dem Kästchen und diesem Ziel zu bestehen scheint, sind wir guter Hoffnung, dass wir diese fantastische neue Welt erreichen.“

Diese Möglichkeit besteht“, sagte Pandorax, der mit den Gefährten zugegen war. „Zwar sind die kosmischen Entfernungen völlig andere als auf der Erde, deshalb ist die Vision et­was unklar, aber die magische Fernsicht scheint Eure Ausführungen zu bestätigen. Ich werde gerne versuchen, dies in der nächsten Zeit mit meinen Mitteln genauer zu ergrün­den.“

Das also war der große Plan unserer Urahnen“, sagte Tyrbalt. „Die Menschheit mit den unvorstellbaren Wundern der alten Magie zu retten und in den grenzenlosen Weltraum zu führen. Hof­fen wir, dass wir diese wundersame neue Welt wirklich finden.“

 

 

 

 

 

28. Kapitel: Neu-Atlantis

 

 

 

Die Menschheit hat ihren Ursprung für immer ver­lassen. Nach einem halben Jahr der Rei­se von der sterbenden Erde durch den endlosen dunklen Wel­tenraum, haben wir eine neue Heimat gefunden.

Der wundersame Zylinder, der sich jetzt mit unglaublicher Geschwindigkeit durch die Gala­xien bewegt, befindet sich in einem riesigen Felsen und umfasst eine Welt etwa so groß wie unser altes At­lantis. Es gibt hier einige hoch entwickelte kompli­zierte technische Ein­richtungen, wie etwa den Lan­debereich für Raumschiffe und die Gebäudekom­plexe, die der Steuerung und Überwachung der ganzen Spulenwelt dienen. Diese befinden sich im Wesentlichen an den beiden Enden des länglichen Zylinders in großen Felsengebirgen. Dazwischen liegen weite Landschaften, mit wunderbaren Ber­gen und Tälern, Flüssen und Seen, Wäldern und Ebenen, wie man sie aus den schönsten und frucht­barsten Weltge­genden der alten Erde kannte. Und dieser Lebensraum mit frischer klarer Atemluft er­streckt sich über die gesamte Innenseite der gigan­tischen Spule. Wir können hier mit der­selben An­ziehungskraft wie einstmals auf der Erdkugel auf dem Boden wandeln und das ganze Land erkunden und besiedeln. Über uns sehen wir deshalb keinen freien blauen Himmel bei Tag und keinen nächtli­chen Sternenhimmel, sondern in weiter Ferne die Him­melsländer, welche die jeweils gegenüberlie­gende gebogene Innenfläche der Spule bil­den. Al­lerdings gibt es hier auch bekannte Klimaverhält­nisse und Wettererscheinungen wie etwa Winde, Wolken und Niederschläge, sodass wir uns in die­ser Hinsicht zumeist ganz wie auf der alten Erde fühlen.

Eines der größten Wunder der Zylinderwelt aber ist die lange Sonne. Freilich existiert hier kein Zentralgestirn wie der leuchtende Ball der dunkel­roten Sonne unserer Erde, um wel­ches die Planeten wie Kugeln kreisen. Stattdessen geht vom einen Ende der Spule zum anderen durch die Mitte der Welt ein gleißender heller Energiestrahl und spen­det uns Licht und Wärme. Am Abend wird diese lange Sonne abgeblendet und am Morgen wieder auf­geblendet und die mechanische Konstruktion der langen Sonnenblende ist so eingestellt, dass durch ihre Drehung um den Energiestrahl in der ganzen Welt ein irdischer Tag- und Nachtzyklus abläuft.

Von den dreitausend Reisenden sind auf der Überfahrt dreiundzwanzig an Altersschwäche oder Krankheit gestorben. Indessen sind fünf Kinder ge­boren worden. Der Königliche Rat, die weiteren Führungskräfte und die ganze Bevölkerung haben tatkräftig und zuversicht­lich mit der Erforschung und Besiedelung der neuen Heimat begonnen. Wir gründen eine Königliche Universität und richten Forschungsstätten, Laboratorien, Geschichtsarchi­ve und Bibliotheken ein, um das Wissen und die Kulturen der alten Erde für kommende Ge­nerationen zu bewahren und die besten Möglichkeiten und Grundlagen für unser künftiges Leben und un­sere künftige Gesellschaft zu finden. Unsere Wis­senschaftler ergründen die machtvollen Technolo­gien der Alten, um sie noch besser zu verstehen und anwenden zu können. Die neu gegründete Akademie der Zauberei verbindet die Erkenntnisse der wei­ßen und schwarzen Magie. Hier werden die mystischen Künste weiter erforscht, entwickelt und gelehrt. Die Menschen und das Wilde Volk leben in Frieden und Harmonie zusam­men, kolonisieren diese Welt und bauen das gemeinsame Königreich auf.

Wir sitzen nun als Königspaar auf zwei Obsidi­anthronen im Zentrum eines neuen Palas­tes, dessen weiterer Ausbau gerade erst begonnen hat. Die wundersamen Ereignisse, die uns in diese schöne neue Welt geführt haben, halten wir in einer Erzäh­lung fest und die Entwicklung des neuen Reiches zeichnen wir in einer jährlichen Chronik auf, damit das Volk und die Nachwelt von den Geschehnissen und Taten der Vergangenheit erfahren und daraus ihre eigenen Lehren für die Zukunft ziehen mögen.

 

König Andron und Königin Sydyana im ersten Jahr ihrer Regentschaft von Neu-Atlantis

 

 

* * *

 

 

Die alte Erde lag öde und leblos da. Dann öffnete sich ein silberner Spalt in der toten At­mosphäre und der Dämon Argrath erschien. Er schwebte über die leeren Ebenen der Erde und erkannte, dass hier niemand mehr war, den er heimsuchen und foltern konnte. Also flog er in den Weltraum hinaus und nahm die Spur der geflohenen Menschen auf. Er be­merkte, dass diejenigen überlebt hatten, die ihn einst in die Welt der Dämonen zurückge­trieben hatten. Und an ihnen würde er blutige Rache üben, denn jetzt konnte er die Mäch­te des Dämonenau­ges nach seinem Willen gebrauchen. Der silberne Dämon schwebte zi­schen der toten Erde und der blutroten Sonne und erhob die schwarzmagische Waffe, die in dunklen Energien glühte und knister­te. Die Sonne und mit ihr die Erde und alle anderen Planeten in ihrer Umlaufbahn wurden in einer ge­waltigen Explosion vernichtet. Argrath tri­umphierte und sein dämonisches Antlitz verzerrte sich zu einem bösartigen höhnischen Grinsen. Alle Energi­en dieses Sonnensystems und sogleich alle Energi­en dieser Galaxie flossen seinem Dämonenauge zu. Hier konnte niemals wieder Leben gedeihen. Ar­grath machte sich mit dem allmächtigen Dämonen­auge daran, seine Feinde bis ans Ende des Multi­versums zu verfolgen und alle zu töten.

 

 

 

 

 

Ende

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Handelnde Personen

 

 

 

Adama, älterer Bruder von Adebar

Adebar, junger Zauberer

Adele, Adebars Mutter

Alazar, mächtiger Schwarzmagier

Alena, jüngere Schwester von Adebar

Andron, jüngerer Bruder von Adebar, Silberner Fuchs,

Schwarzmagier, Stadthalter und König von Atlantis

Argrath, ein Dämon

Ascolan, Adebars Vater, Kommandant

Felarion, Schwertmeister und Söldner

Kadrox, Hofmarschall von Atlantis

Kardaros, einstiger König von Atlantis

Karodan, einstiger König von Atlantis

Mazadon, ein Schiffskommandant

Oborion, alter Schamane der Füchse

Pandorax, mächtiger Schwarzmagier

Sabalan, General von Atlantis

Sydyana, junge Königin von Atlantis

Tyrbalt, alter Zauberer

Ulangarth, ein Dämon

Vertigor, Baumeister von Atlantis

Zayandra, Waldzauberin

und viele andere

 

 

 

 

 

 


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